Thomas Lang – der Bier-Kriminalist aus Stuttgart

Thomas Langs Stuttgart-Bierkrimis

Thomas Lang, von Haus aus eigentlich Jurist, schreibt Stuttgarter Biergeschichte. In Krimiform. Sein Antiheld Minkin steckt seine Nase gerne in Biergläser, nicht nur in Stuttgart, und im Auftrag des großen unbekannten Geldgebers Goldberg auch in globale bierige Angelegenheiten. Die Bierkrimis und ich – keine Liebe auf den ersten Schluck, äh, Blick. Aber auf den zweiten.

Als ich nach Stuttgart zog, sagte man mir, ich müsse Thomas Lang lesen. Und wenn ich mich für Bier interessiere erst recht. Lang war vor zwei Jahren offensichtlich an vielen Bier-Stellen, an denen ich auch war. Aber eben nicht mit mir. Und dann ist die Sache mit den Regio-Krimis ja eben so eine Sache. Wiedererkennungseffekt, paar eingestreute, bekannte Namen und bisschen Lokalkolorit machen noch lange keinen guten Krimi. Zumindest sollte man dem hyperlokalen Trend zu Städte-Krimis aus guten Gründen kritisch gegenüberstehen. Das Leben ist zu kurz für schlechtes Bier und auch für schlechte Bücher. Ich kenne ein Bierkrimi-Experiment aus Franken, das ging schief, kann ich euch sagen! Ergo: Ich vergaß die Empfehlung wieder. Außerdem hab‘ ich die beliebte Trinker-Kolumne „Schräggastro“ von Lang im Stuttgarter Stadtmagazin nicht gelesen, und weil das Stadtmagazin vom hiesigen Medien-Riesenkonzern gekauft wurde, habe ich es, sagen wir mal so, auch nicht mehr aktiv selbst gekauft.

Heslach ist schuld

Dann kam ich auf dem Weg zum Schwimmbad in Stuttgart-Heslach selbst an reichlich viel Schräggastro vorbei. Klar, vieles davon wäre zum Beispiel in Düsseldorf und Berlin die aussterbende Eckkneipe, die seit 100 Jahren dieselbe Deko hat, und dieselben Rouladen vielleicht auch. Oder die olle Fankfurter Trinkhalle mit diesem Schild, wo schon immer der eine Buchstabe nicht leuchtet, oder der eigentlich unspektakuläre Kiosk in Hannover, der eigentlich nie das hat, was ich will, aber immer auf jeden Fall für den Fall der Fälle ein Herri und nen Korn, denn im Norden geht Herrengedeck ja immer. Und plötzlich war alles wieder da. Ich hatte da ja noch eine Aufgabe, als Neu-Stuttgarterin, vor allem jetzt im Besitz eines Ausweises für die Stadtbibliothek!

Nur Labern nervt

Langs ersten Bier-Roman „Goldbergs Liste. Minkins erster Zufall“ las ich im Spätsommer letztes Jahr im Schottland-Urlaub. Dachte, das passt. War ja quasi eine halbe Bier-Reise. Naja, was soll ich lange drum herum drucksen: Ich war enttäuscht. Langs Antiheld Minkin, ein gescheiterter Staatsanwalt mit dafür überproportional großen Ambitionen, die gesamte Gastro der baden-württembergischen Landeshauptstadt trinkend zu erfahren, kommt per Zufall zu einem Fall. Er soll verhindern, dass spanische Bierpanscher auch in Stuttgart den Markt verwässern. Stellenweise ist das ganz spannend und amüsant, die Geschichte unauffällig mit recht viel Bier-Wissen des Autoren gespickt. Und vor allem sind die Orte real, also die von Minkin abgeklapperte Schräggastro.

Aber Minkin selbst hat mich einfach nur genervt. Der labert. Und manchmal ist seine Inaktivität dem Job und generell dem Leben gegenüber schlicht unerträglich. Ein Mann über 40, der halt einfach nicht klar kommt und auch keine Ziele mehr hat. Ich weiß, das soll sympathisch rüberkommen. Für mich kam es oft selbstgefällig und gelegentlich peinlich rüber. Und über Seiten ist es in dem Roman einfach unmotiviert. Und dann ein furchtbar schlechtes Lektorat, so viele Fehler in dem Buch. Ich war zugegebenermaßen froh, als ich durch war, der Zufall gelöst, das letzte Bier getrunken. Ich gab das Buch wieder zurück.

Neues Jahr, neues Glück

Vielleicht war es das Motto „Neues Jahr, neues Glück“, aber letzte Woche veranlasste mich irgendwas, Thomas Lang und seinen Bier-Krimis noch eine zweite Chance zu geben. Jetzt bin ich fast am Ende vom zweiten Minkin-Fall „Goldbergs Formel“ und ziemlich begeistert. Entweder war ich in Schottland nicht in der richtigen Stimmung für den Stuttgarter Fass-Kolorit, die Pubs, in denen wir waren, waren zu gut, … keine Ahnung, oder aber Langs Nachfolger ist halt wirklich besser. Ich glaube, die Dramaturgie ist wirklich besser. Und Lang legt auch noch anderen Protagonisten sein Bier-Wissen in den Mund, es ist nicht nur Minkin, der vor sich hin philosophiert und damit nervt, statt zu agieren. Und er agiert auch ein bisschen mehr als im ersten Buch. Selbstironisch kommt sogar das erste im zweiten vor, Minkin regt sich darüber auf, wie man nicht wissen kann, dass „Big Beer“ gefährlich ist, Glyphosat und so: „Lesen diese Penner denn keine Regiokrimis? Goldbergs Liste? Da steht es doch Schwarz auf Weiß, Finger weg vom Bier. Glauben die, das ist irgendeine humorige Scheiße?“

Viel mehr Stuttgarter Biergeschichte

Und so stolpert man durstig mit Minkin ins Abenteuer zwischen Stuttgart, dem Kraichgau und Pilsen, auf seiner Mission, die Weltformel des Bieres zu retten. Nebenbei geht es um Stuttgarter Brauereigeschichte. Daniel Bleicher und sein CaSt-Craftbier wurde schon in Band 1 erwähnt, taucht nun aber auch wieder auf, aber man erfährt auch bei Lang, warum es die Brauer-Familie Dinkelacker in Stuttgart und die Brauer-Familie Dinkelaker in Böblingen gibt (deren Chef, der „Bierpapst“ von Baden-Württemberg Werner Dinkelaker auch ein Denkmal gesetzt bekommt, wenn er auch nur in seinem Initialien auftaucht), dass Dinkelacker sich wieder von Big Beer loskaufte und eine alte Stuttgarter Marke neu auflegte: Wulle. Und die Story um Wulle ist dann nicht ganz so real, denn Lang verpasst ihr einen ehemaligen Brauer aus Pilsen, Culle, der sich einst nach Stuttgart rettete, einen Buchstaben in seinem Namen auswechselte und die Brauerei Wulle im Kessel gründete. Denn wir wissen ja: Der Böhme ist der Ursprung allen Pilsners. Ein augenzwinkernder Einfall, eine kleine literarische Ausschmückung der Realität – und das gefällt mir. Im zweiten Minkin-Bierkrimi geht es viel mehr um Bier selbst, um Stuttgarter und auch sonst Biergeschichte, und das tut letztendlich auch der Story verdammt gut.

Und auch der sonstige Lokalkolorit kommt nicht zu kurz: Minkin lästert über die Politiker, über Stuttgart 21, über den Feinstaub und drohende Fahrverbote (die es seit Anfang dieses Jahres tatsächlich gibt in Stuttgart), über Brutaloarchitektur, die Entwicklung deutscher Rockmusik und die voranschreitende Shopping-Mallisierung deutscher Bahnhöfe. Minkin ist halt auf gut Schwäbisch ein richtiger Bruddler, manchmal auch a Seggl – und eher per Zufall ab und an a Käpsele. Hoffentlich bleibt das so. Lang schrieb schon im Nachwort zum bisher letzten Bierkrimi, dass er das Ganze keinesfalls nur als Trilogie angelegt hätte… Also raus in die Biergärten auf die Karlshöhe oder nach Bad Cannstatt und abwechselnd rein mit der Nase in Bierglas und Buch!

 

Thomas Lang: „Goldbergs Liste. Minkins erster Zufall.“ (2015), „Goldbergs Formel. Ein Schräggastro-Krimi.“ (2016) und „Goldbergs heiliges Fass.“ (2018) sind alle bei Oertel + Spörer Reutlingen erschienen.

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Comments

Eine Antwort zu „Thomas Lang – der Bier-Kriminalist aus Stuttgart“

  1. […] Glücklicherweise erscheinen auch noch Regiokrimis – und bis auf dass die Gastro zu hat und mensch halt auch nicht so genau weiß, was an Restaurants und Kneipen nach dem gefühlt drölfzigsten Lockdown ohne Konzept überhaupt noch mal wieder aufmacht, ist vermutlich alles andere, was so zum Geschichten-Erzählen im Lokalen gebraucht wird, trotzdem noch besuch- und recherchierbar. Dienstreisen mögen zwar eingeschränkt sein, aber sind praktisch in kleinem Rahmen sogar auch noch möglich. Und wenn dann auch noch der baden-württembergische Bier-Papst persönlich darauf drängt, dass der Stuttgarter Privatermittler Minkin nach zwei Jahren Abstinenz nun doch endlich mal wieder einen neuen Zufall brauche – dann, ja dann…! Und so hat Thomas Lang in der Corona-Krise den vierten Minkin-Krimi verfasst, „Goldberg und der unsichtbare Feind“, der dieser Tage erschienen ist. (Eine gefühlige, naja, Rezension der drei vorangegangenen Minkin-Zufälle gibt es hier.) […]

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