Neuer Thomas-Lang-Bierkrimi: Minkin ist zurück

Dieser Tage erschien der vierte Minkin-Zufall von Thomas Lang. Und den Vorgänger gibt's als Hörbuch.

Der Meister des Schräggastro-Journalismus Thomas Lang hat einen neuen Stuttgarter Bierkrimi geschrieben. Sein Antiheld Minkin ist zurück und muss diesmal im Bierland Belgien auf den Spuren der Trappisten Bier-Frevel und Schlimmeres verhindern.

Während die Live-Kultur wegen Corona immer noch brachliegt, werden Bücher auch trotz des Virus‘ weiterhin geschrieben. Oder auch wegen. So langsam macht sich das bei den Neuerscheinungen auch inhaltlich bemerkbar, so ist beispielsweise Juli Zehs neues Werk „Über Menschen“ eigentlich ein Corona-Roman.

Glücklicherweise erscheinen auch noch Regiokrimis – und bis auf dass die Gastro zu hat und mensch halt auch nicht so genau weiß, was an Restaurants und Kneipen nach dem gefühlt drölfzigsten Lockdown ohne Konzept überhaupt noch mal wieder aufmacht, ist vermutlich alles andere, was so zum Geschichten-Erzählen im Lokalen gebraucht wird, trotzdem noch besuch- und recherchierbar. Dienstreisen mögen zwar eingeschränkt sein, aber sind praktisch in kleinem Rahmen sogar auch noch möglich. Und wenn dann auch noch der baden-württembergische Bier-Papst persönlich darauf drängt, dass der Stuttgarter Privatermittler Minkin nach zwei Jahren Abstinenz nun doch endlich mal wieder einen neuen Zufall brauche – dann, ja dann…! Und so hat Thomas Lang in der Corona-Krise den vierten Minkin-Krimi verfasst, „Goldberg und der unsichtbare Feind“, der dieser Tage erschienen ist. (Eine gefühlige, naja, Rezension der drei vorangegangenen Minkin-Zufälle gibt es hier.)

Ab zu den Trappisten

Diesmal wird Minkin von Goldberg zu bierigen Ermittlungen nach Belgien geschickt. Genauer gesagt nach Rochefort, wo er einen alten Mönch, der während des Zweiten Weltkriegs in der Résistance war und zu dieser Zeit durch verunreinigtes Bier nicht wenige deutsche Wehrmachts-Angehörige in der Normandie um die Ecke brachte, retten soll. Denn noch 75 Jahre später haben es böse Mächte auf Rache abgesehen. Und noch mehr, weshalb Minkin, wie immer, nicht nur in der offiziellen Mission unterwegs ist, sondern eigentlich inoffiziell noch was anderes lösen soll. Und dabei schon wieder ein Bier-Relikt wider seinen Willen ausgehändigt bekommt, das er unauffällig aufbewahren möge. Heidenei! Je nachdem, wie viele Minkin-Bände es geben wird, wird die „Waldklause“ in Botnang sich noch zum Bier-Museum entwickeln. Und dann vermutlich zum Pilgerort. Aber ich bin sicher, Thomas weiß, was er tut.

French Road Trip mit Killesberg-Baby

Bei seinen Reisen erst nach Belgien und dann nach Frankreich in die Nähe von Lyon gerät Minkin ein ums andere Mal in doch recht lebensbedrohende Situationen (die sehr zur Belustigung der Rezensentin in einem Fall von niemand Geringerem als Bruce Willis persönlich gelöst wird!), gerät in Fänge von Corona und dem nahenden ersten Lockdown in Deutschland (Merkel schließt die Kneipen in Bad Cannstatt!), gerät mit der Nase wieder mal in diverse Biergläser und mit dem ganzen Körper wieder mal nah dran an gewollte und weniger gewollte Frauen. Zudem gerät Minkin noch an einen Nebenjob, bei dem ein neureicher Stuttgarter Unternehmer ihn beauftragt, Beweise zum Fremdgehen seiner Frau zu sammeln. Doch diese entpuppt sich als eigentlich ziemlich nett, obwohl sie ein typisches Killesberg-Baby ist, und so gerät Minkin auch noch nebenbei zum Ehe- und Beziehungsberater wider Willen.

Erfrischend echte Bier-Historie

Das ist im vierten Zufall des Stuttgarter Antihelden alles recht kurzweilig und witzig erzählt, zudem spart Lang auch diesmal nicht mit Fußball-Weisheiten und -Vergleichen, lässt Minkin gewohnt gegen Brutalo-Architektur bruddeln („Aber Cannstatt, ich meine, nichts gegen die Kurstadt, aber gab Ecken dort, denen täte ein ‚Lockdown forever‘ ganz gut.“). Und ganz nebenbei wird erneut bierhistorische Kulturgeschichte vermittelt. Nach der Sache mit dem letzten Abendmahl und der Verschwörung der katholischen Kirche mit der württembergischen Wein-Mafia aus dem letzten Band „Goldbergs heiliges Fass“ sind die historischen Bier-Fakten diesmal auch wirklich Fakten. Erfrischend. Schuld ist hier ebenfalls der Bier-Papst Werner Dinkelaker, der dann auch – dieses Mal unter echtem, vollem Namen – im Roman auftreten darf.

Er erzählte Lang die Geschichte von Gabriel Sedlmayer aus München und Anton Dreher aus Wien, jungen Brauern im 19. Jahrhundert, die mit Hilfe eines präparierten Spazierstocks bei ihren Reisen zu britischen Brauereien (und vermutlich auch anderswo in Europa) Bier-Proben aus den Bottichen klauten und damit zu Hause das Münchener Brauwesen revolutionierten. Lang macht in „Goldberg und der unsichtbare Feind“ daraus eine abgewandelte Variante, sozusagen einen umgekehrten Sedlmayer. Und das ist gut so, denn die echte Geschichte von Sedlmayer und seiner Industrie-Spionage hat Günther Thömmes bereits in seinem München-Bierkrimi „Duell der Bierzauberer“ verarbeitet.

Echt ist zudem, dass die Mönche in Rochefort mit ihrer Kloster-Brauerei tatsächlich gegen „Big Beer“ gekämpft haben und dass im 18. und 19. Jahrhundert die Gemeinde Burton-upon-Trent bei Birmingham, die bei Lang auch kurz eine Rolle spielt, weil ja erklärt werden muss, warum damals da jeder hin wollte, die Brau-Metropole Englands war. Nix London. Und dadurch wichtig für weltweiten Export sowie Innovationen im Brauwesen in ganz Europa. Heute führt das leider zu einem Negativ-Rekord: Nur noch eine Brauerei ist übrig, die als ehemals weltweit größter Produzent von traditionellem englischen Cask Ale diese Tradition weiterhin in Großbritannien hochhält: keine Filterung, keine Pasteurisierung, nur Abfüllung und Reifung in hölzernen Fässern. Wer schon mal den Begriff „Burton Ale“ oder auch „Pedigree Beer“ gehört hat – yep, that’s it.

Jenseits von Lambic

Und Minkin, der anfangs wenig begeistert auf den Auftrag reagierte, weil er belgisches Bier, allem voran Kirschbier, womöglich noch mit Eiswürfeln aus Cognacschwenkern getrunken, für einen „Affront gegen alle aufrichtigen Biertrinker“, mehr noch, „Blasphemie“ hielt, kommt nach ein paar hochprozentiger, karamelliger Klosterbiere aus Rochefort doch noch auf den Geschmack. Und spätestens ab dem Punkt, wo es gegen „Big Beer“ geht, ist seine Sympathie eh gewonnen. Gibt halt auch noch was anderes an belgischen, traditionellen Bieren außer den Lambic-Bieren. Bei seiner Verachtung für britisches Ale… irgendwas sagt mir, dass, wenn diese Pandemie vielleicht mal vorbei sein sollte, Minkins nächstes Abenteuer zur Rettung der Bier-Historie in England oder wenigstens Schottland spielen wird. Vielleicht Burton-upon-Trent? Ich freu mich schon drauf!

Und zu guter Letzt: Minkin wäre nicht Minkin, wenn es nicht noch einen versteckten Verbraucher-Tipp gäbe: Flaschenbiere mit Alu-Halskrause, trinkt lieber mal die, so lange das Coronavirus noch tobt. Denn Bill Gates will euch nicht nur chippen beim Zwangsimpfen, der hat’s auch auf die Verstrahlung von Bier abgesehen. Und Unterhopfung zusätzlich zur Pandemie wäre ja nun wirklich nicht auszuhalten, oder?

 

Thomas Lang: „Goldbergs Liste. Minkins erster Zufall.“ (2015), „Goldbergs Formel. Ein Schräggastro-Krimi.“ (2016), „Goldbergs heiliges Fass.“ (2018) und jetzt „Goldberg und der unsichtbare Feind“ (2021) sind alle bei Oertel + Spörer Reutlingen erschienen. Auch als Hörbuch erhältlich.

0 0 votes
Article Rating

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

error

Enjoy this blog? Please spread the word :)

0
Would love your thoughts, please comment.x