Bücher über Bier: Business Punks – BrewDogs Way

Es ist eine Mordserfolgsgeschichte, und sie steht für einen Kampf, bevor wir überhaupt wussten, dass da ein Kampf ist: the rise of BrewDog. James Watt, neben Martin Dickie Gründer des erfolgreichsten Start-ups Großbritanniens, beschreibt in „Business for Punks. Break all the rules – the BrewDog way“ diese Erfolgsgeschichte.

Wie Watt seine Ausbildung zum Kapitän hinschmiß, weil er „etwas fand, das ich noch mehr liebte als das Meer: Bier“. Wie die beiden Tag und Nacht Rezepte probierten und Finanzen lernten, auf Malzsäcken in der Brauerei nahe Aberdeen übernachteten, weil sie nonstop an ihrem Produkt arbeiteten. Ein Produkt, das von Anfang an mehr sein sollte als nur Bier, mehr als eine Alternative zu „Industriebier“ und „flat cask ale“.

Einst gehasstes Bier, jetzt das beliebteste Englands

Und doch hätten Dickie und Watt das erste Jahr beinahe nicht überlebt. Sie verkauften anfangs nur zehn Kisten maximal, wo sie eigentlich 70 hätten verkaufen müssen, um wenigstens die Kosten zu decken. „People in north-east Scotland hated our beers when we launched them“, schreibt Watt. Unvorstellbar, nachdem BrewDog nicht nur in England expandierte und mehrfach ausgezeichnet wurde.

Fährt man jetzt in Schottland durch die mittelgroßen Städte, so finden sich überall Werbetafeln mit „Punk IPA – Englands beliebtestes Bier laut ratebeer“. Sogar in jedem Pub der Kette Wetherspoon ist das Punk IPA inzwischen regulär im Angebot neben Innis & Gunn, dessen Manager Neil Innis Sharp einst verbreitete, BrewDog fälsche seine Bilanzen, und jeder wüsste das ja auch. die größeren Kämpfe hatte BrewDog aber mit der Portman Group. Mindestens drei Mal gerieten der Brau-Riese und der Underdog aneinander, durchaus auch mit Entscheidungen vor Gericht. Davon steht in dem Buch nix.

Craft Keg versus Real Ale Cask

Mal ganz abgesehen von der Anti-CAMRA-Positionierung – gegen Cask Ale, für Kegging. So zitierte etwa Claire Dodd im „Morning Advertiser“ im Oktober 2010 Watts Rede bei der Eröffnung der BrewDog-Bar in Aberdeen: „I don’t think cask is a appealling way to get people into beer. Cask is more sleepy, stuffy, traditional and just has this kind of stigma attached to it which isn’t going to get young people excited. It’s all CAMRA, beards, sandals, beer bellies, hanging out at train stations at the weekend. We think keg beers could be the future of craft beers in the UK.“ Siehe auch BrewDogs „Manifest“ „Craft Beer vs. Real Ale“: „The term ‘Real Ale’ and its definition no longer mean anything. CAMRA have lost sight of the beer industry and continue to impose 1970’s arbitrary distinctions which no longer apply. According to this part on their website keg beer is: chilled, filtered (to remove all yeast) and pasteurized thus ‘killing off’ the product, has the natural CO2 removed then is force carbonated, served cold to disguise lack of taste. However, with BrewDog, Thornbridge and Lovibonds kegs to name just a few, this simply is not the case. It is also completely untrue for the US craft brewing industry where craft keg is leading the revolution. Production of craft beer has moved so much since the 1970s. Our beers are fermented under pressure so the CO2 in the final beer occurs naturally from the initial fermentation. The beer is then filtered very lightly (to around 6 Microns which leaves yeast in the beer) and we then package (without any pasteurization) before shipping. Does this make it real ale? Probably, but who really knows anymore. And who actually cares? The fact is that beer no longer must be either bottle/cask conditioned or filtered & pasteurized. A new way has emerged with the craft brewing wave that transcends these out-dated conventions.“

Britische Bier-Politik – Von Anfang an ein Kampf

Die BrewDog-Aktionen werden natürlich erwähnt, nicht zuletzt sind sie das Herzstück der Stories um die Brauerei und die BrewDog-Legende, sie machten Dickie und Watt bekannter und unterstützten die Punk-Attitüde. Da wären zum Beispiel die zum Bewerben ihres stärksten Bieres – den Wettkampf um das stärkste Bier der Welt leistet sich BrewDog mit Schorschbräu in Franken, im Moment hält aber keiner von beiden den Titel. BrewDog präsentierte eins dieser Starkbiere in einer Abfüllung mit ausgestopften Hermelinen und Grauhörnchen. Tierschützer liefen Sturm. Watt und Dickie ließen einen Hubschrauber mitten in London landen und zogen nackt vors Parlament, um gegen die britische Bierpolitik zu protestieren und auch kleinere Ausschank-Mengen unterhalb des Pints durchzusetzen. Ein Bier wurde zum Reifen auf ein Hochseefischer-Boot mitgenommen, die spektakulären Bilder und Videos, wie das Bier den Gezeiten und den Naturgewalten ausgesetzt war, brachten BrewDog freilich viele Fans und personalisierten die Leidenschaft für gutes Bier („taking risks“). Watt und Dickie hielten schon mal ein Team-Meeting unter Wasser und auf hohen Bergen ab – ein Zeichen für unkonventionelles, aber forderndes Management. Sie platzierten sich gegen Trump und Putin, gingen aber auch auf einen Golfplatz und zerhauten in großer Symbolik Industriebier-Dosen und -Flaschen – ebenfalls eine sehr umstrittene Aktion.

Insgesamt aber bleiben die Aktionen im Buch doch erstaunlich nebenrangig. Auch wird nicht klar, dass es von Anfang an ein Kampf war, von Anfang an ein Politikum, schon der Name eines Bieres eine Aktion, ein Statement war, weil man dabei auch nie die strenge britische Bier-Politik vergessen darf und den Druck von anderen Brauereien, dem BrewDog immer ausgesetzt war. Gleichzeitig gefällt sich Watt darin, die anderen zu reizen und ihnen nicht zu gefallen, das tropft durch jede Zeile. Aktuell fällt BrewDog dadurch auf, dass Watt und Dickie die erste Craftbier-Airline starten. Eins muss man ihnen lassen: Mut zum Scheitern haben sie auch. Um so bitterer, wenn das so ist, weil die Aktionen einfach nicht verstanden werden. So wie die zum Equal Pay Day in diesem Jahr.

Not „beer for girls“. Beer for equality. – Das jedenfalls war der Plan von BrewDog. Foto: Kerstin Fritzsche

„In ya face“ meets „talking business“

BrewDog hat inzwischen 46 Bars in ganz Europa und den USA, mehr als 70.000 Shareholders und mehr als 1.000 Angestellte. Mehr als 15 Millionen Pfund wurden seit Gründung per Crowdfunding erweirtschaftet; vier Mal gab es bisher seit 2009 Equity Funds, also die Möglichkeit, Anteilseigner zu werden. Wie genau das aber funktioniert und aufgebaut wurde, steht nicht in dem Buch. Natürlich nicht. Überhaupt vermittelt Watt den Eindruck, Einzelheiten auszuplaudern und Tipps zu geben für andere, die ein Start-up planen, aber eigentlich gibt er nichts preis, was man nicht eh schon irgendwie wusste, unter anderem, weil es ja ein Unternehmensblog gibt, das versucht, transparent zu sein. Die schottische vom Schafhüter-zum-Selfmade-Man-Geschichte ist trotz allem Witzes und dem In-ya-face-Stil, in dem sie geschrieben ist, arg geschönt. Oder es ist mein Problem, weil diesen Business-Sprech nicht mag.

Michael Jackson ist schuld an der Brauerei-Gründung. Nicht.

Aber es geht auch um die Geschichten, die Legenden, das Legenden-Bilden. So soll etwa kein Geringerer als Michael Jackson letztendlich den Ausschlag gegeben haben, das Unternehmen zu gründen – weil er so begeistert von den selbstgebrauten Bieren von Watt und Dickie gewesen sein soll. Jackson habe gesagt, Jungs, kündigt eure Jobs und fangt an zu brauen. So die Legende made by BrewDog. In „Brew Britannia. The strange Rebirth of British Beer“ der beiden Bier-Blogger Jessica Boak und Ray Bailey liest sich das etwas anders. Denn Watt war zu diesem Zeitpunkt schon längst kein Hochseefischer mehr. Und er kannte Jackson bereits. Und drittens trank Jackson vermutlich kein gypsy-gebrautes Bier von Watt und Dickie, das sie in ihrer Garage fabriziert hatten, sondern, weil Watt damals relativ erfolgreich Brauer bei Thornbridge war, Varianten von dessen St. Petersburg Imperial Stout, das die beiden BrewDogger in drei verschiedene Whisky-Fässern zum Reifen gefüllt hatten.

Real Punk’s real dead

Man kann auch argumentieren, was eigentlich Punk daran ist, sich der großen englischen Supermarkt-Kette Tesco zu verpflichten. Klar war es für das Unternehmen gut und offensichtlich erfolgreich, mit der alten Punk-Attitüde der Underdogs „mir alles scheißegal, ich mach‘ mein eigenes Ding“ zu operieren. Das hat schnell neben gutem, anderem Bier eine unverwechselbare, interessante Marke geschaffen. Wie the Godfather of beerwriting Pete Brown schrieb: „Within two years they [Dickie un Watt] became the only brewer whose every action was reported by the national press and, more importantly, could be named by my mum, thanks to an irrevarent and often ill-advised PR campaign promoting beers that were sometimes dreadful but most often stunning.“ („Man walks into a Pub. A sociable History of Beer“, Macmillan 2010 (2003))

Aber alle anderen Wahrheiten und unangenehmen Begleiterscheinungen als Lügen abzutun, weil man ja ohnehin gehasst wird und das, was man tut – das ist nicht mal McLaren, das ist nur Sid Vicious, wie er beleidigt rumliegt und keine Lust hat, auf die Bühne zu gehen. So stellen Boak und Bailey auch fest, dass Watt und Dickie bei der Beschreibung ihres Punk IPA bei Stone geklaut haben: We don’t care if you don’t like our beer. Probably you won’t like it. So etwas sollte man sich nach den ersten beiden Jahren eines Unternehmens nicht leisten. Eigentlich am besten gar nicht. Trotzdem gewann BrewDog 2008 zwei Mal beim World Beer Cup – wer betreibt da Wortklauberei, wenn doch das Hopfengemisch punktet?

Dennoch ist das Buch lesenswert. Jeder, der BrewDog-Bier liebt oder sogar Anteilseigner ist, bekommt einen Einblick, wie Watt und Dickie ticken – und den Marketing-Sprech à la „taking risks, let loose“ in seinen zahlreichen Wiederholungen muss man einfach ignorieren. Das andere ist, dass jeder weiß, wie schnell bei Erfolg von allem auch ein Buch rausgehauen wird. Und so lange die beiden nicht ihre Memoiren schreiben…

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Comments

Eine Antwort zu „Bücher über Bier: Business Punks – BrewDogs Way“

  1. […] Stone wird immer noch auf der Anlage weiter brauen, auch wenn sie nun in Besitz von BrewDog ist. Und immer noch weiterhin in 26 europäische Länder von Berlin aus sein Bier liefern. Und den neuen Tap Room in Prenzlauer Berg erhalten, wo es auch mehr als 10 Biere on tap gibt und leckeres Essen. Und Koch wäre nicht Koch, wenn er nicht neue Ideen hätte. Momentan pflagt er aber noch ein „strittiges Verhältnis zur Realität“, wie er im Interview mit „Hopfenhelden“ sagt. „Funktioniert Craft Beer in Germany? Ich weiß ehrlich nicht, was ich darauf antworten soll.“ Ich bin mir nicht sicher, ob Watt und Dickie von BrewDog darauf eine Antwort haben. Die Schotten waren eigentlich eher als Stone schon im Verdacht, zu schnell zu viel zu wollen und nicht mehr „independent genug“ zu sein. Und das auch ähnlich wie Koch mit einer Attitüde, die nicht jedem*r gepasst hat. Einige sagen „großkotzig“. Andere sagten durchaus: „arrogant“. Ein bisschen davon liest sich sogar in Watts Buch „Business for Punks“. […]

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