Was ist da in Berlin los? Kaum eine Nachricht hat im letzten Monat die Craftbier-Welt so erschüttert wie die Übernahme des Stone-Brewing-Areals in Mariendorf durch BrewDog. Und direkte Auswirkungen hatte es auch: So musste der Homebrewer-Wettbewerb SLOSH vorletztes Wochenende kurzfristig bei BRLO stattfinden. Alles, was man zu dem Deal wissen muss.
„Ich bin ein Berliner – Brauer!“ – Im Juli 2014 machte Greg Koch ein Versprechen. Und die Berliner Reise von Stone Brewing begann. Der Berliner Traum. Noch nicht mal fünf Jahre dauerte er, etwa zweieinhalb Jahre nur war er auch für Gäste erfahrbar. Am 5. April gab Greg Koch per Blog bekannt, dass er die Stone Brewing World Bistro & Gardens in Berlin-Mariendorf an BrewDog übergeben wird. „Mein Herz ist gebrochen“, schrieb er, und: „Wir haben mehrere Millionen in Stone Berlin investiert. Und es hat nicht funktioniert. Dinge tun weh, und Dinge passieren. Das hier ist passiert. Und es tut sehr weh.“ Schuld sind die Deutschen. Es gibt nicht genug Craftbier-Liebhaber*innen unter ihnen. Die meisten seien leider nicht bereit, mehr für gutes Bier auszugeben und kauften immer noch billig, so Koch. Und billig gäbe es mehr denn je. Schuld seien auch Vertragspartner, die Stone angeblich haben hängen lassen, bei kleineren und größeren Problemen, wenn es immer hieß „Das braucht seine Zeit“.
Klotzen, nicht kleckern
Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Denn ja, das Gelände ist groß. Und es ist außerhalb. Man trifft nicht einfach mal die Entscheidung unter der Woche, dass man da zum Essen raus fährt. Und ja, dann wird es schnell teuer. Man will ja mehrere Biere probieren. Die sind fast alle hochprozentig. Dann isst man was dazu. Kann sich tatsächlich nicht jede*r leisten. Andererseits war Stone Berlin stets sehr großzügig. Fans, Reise-Blogger, Bier-Blogger, Heimbrauer, … sie alle wurden regelmäßig eingeladen und reich beschenkt, zum Essen, zu Tastings, zu Events. Oft war’s ein „Klotzen, nicht kleckern“. Als würde sich der Berliner Traum dadurch auch bei anderen besser manifestieren. Eindrucksvoll sollte es sein, eindrucksvoll war’s, zuletzt noch nach der Bekanntgabe der Übergabe bei der Release-Feier zum Film „The Beer Jesus of America“ über Koch, so hört man. Klar – kann man alles absetzen als Unternehmen. Aber wo ist die Grenze zu ziehen zwischen Konsument*in und Multiplikator*in? Stone hätte die Grenze schon früher vielleicht mal öfter schneller ziehen sollen. Dass diese doch sehr amerikanische Mentalität auch nicht bei allen Vertragspartnern unbedingt auf Gegenliebe stößt, ist auch klar.
Stone wird immer noch auf der Anlage weiter brauen, auch wenn sie nun in Besitz von BrewDog ist. Und immer noch weiterhin in 26 europäische Länder von Berlin aus sein Bier liefern. Und den neuen Tap Room in Prenzlauer Berg erhalten, wo es auch mehr als 10 Biere on tap gibt und leckeres Essen. Und Koch wäre nicht Koch, wenn er nicht neue Ideen hätte. Momentan pflegt er aber noch ein „strittiges Verhältnis zur Realität“, wie er im Interview mit „Hopfenhelden“ sagt. „Funktioniert Craft Beer in Germany? Ich weiß ehrlich nicht, was ich darauf antworten soll.“ Ich bin mir nicht sicher, ob Watt und Dickie von BrewDog darauf eine Antwort haben. Die Schotten waren eigentlich eher als Stone schon im Verdacht, zu schnell zu viel zu wollen und nicht mehr „independent genug“ zu sein. Und das auch ähnlich wie Koch mit einer Attitüde, die nicht jedem*r gepasst hat. Einige sagen „großkotzig“. Andere sagten durchaus: „arrogant“. Ein bisschen davon liest sich sogar in Watts Buch „Business for Punks“.
Egal, wie man das findet, für die Schotten kommt ein Großprojekt in Berlin zur rechten Zeit. Denn das Treffen der Equity-Investoren war schon angesetzt, bevor bekannt wurde, dass BrewDog das Stone-Gelände übernimmt. Sprich: Da war frisches Geld da, und wo frisches Geld ist, zieht es auch weitere Investoren an. Einiges wollen BrewDog anders machen, zum Beispiel nicht in Dosen verkaufen auf dem deutschen Markt. Aber die BrewDog-Bar in Mitte wird es weiterhin geben. Ein angemessen langsames Wachsen wird es weiterhin geben. Und BrewDog Airlines soll bald auch Berlin anfliegen.


Scotxit from Brexit?
Viele denken – und haben das auch so geschrieben – , dass der Schritt, die Brauerei in Mariendorf zu übernehmen, für BrewDog vor allem eine Flucht vor dem Brexit ist. Denn schon jetzt sind Bier-Vertriebswege zwischen Deutschland und Großbritannien teilweise schwierig. Zudem hat BrewDog, weil die Dose in Deutschland ja immer noch nicht soooo beliebt ist und mehr für Billigbier steht, Flaschen nach Schottland geholt, dort befüllt und wieder retour nach Deutschland geschickt. Kein Ärger mit dem Pfandsystem, aber hoher logistischer Aufwand. Und drittens kann keine*r bei dem jetzigen Chaos abschätzen, wie hoch die Kosten in Sachen Im- und Export sein werden. Außerdem kalkuliert keine*r gern mit dem Risiko. Aber das dementiert James Watt vehement. So oder so sei man „deeper“ am deutschen Markt interessiert, und da speziell Berlin.
It’s in the details
So ganz ist das mit der Angst vor dem Brexit nicht von der Hand zu weisen. Denn wie Bloomberg kürzlich berichtete, hatte BrewDog wohl schon überlegt, Kapazitäten bei anderen europäischen Brauereien zuzukaufen oder ihre drei auf dem europäischen Markt erfolgreichsten Biere sogar von Columbus nach Europa zu importieren. Trotzdem: Watt und Dickie haben schon viele Risiken getragen, da wird ihnen der Brexit jetzt tatsächlich nicht unbedingt die ganze Zeit schlaflose Nächte bereiten, denke ich. Der Hase liegt woanders im Pfeffer. Das Interessanteste an der Nachricht „BrewDog goes Stone“ liegt im nicht auf den ersten Blick offensichtlichen Detail. Denn auf dem sehr harten Berliner Markt macht man nicht nur im Kerngeschäft anderen Konkurrenz. Sondern auch im stetig wachsenden Heimbrauer-Bereich. So soll neben dem industriellen 100-Hektoliter-System mit Abfüllanlage und dem 2.500 Quadratmeter großen Schankraum mit dem „Berlin Craft Collective“ ein Bereich zum Einmieten für Gypsy-Brauer*innen, Mikrobrauereien, Brau-Start-ups, befreundete Brauereien und für Gemeinschaftssude mit einem Volumen von 10 Hektolitern entstehen. Und natürlich sollen diese Biere dann auch an allen deutschen Standorten (eine neue Bar in Hamburg kommt ja jetzt) verkauft werden.
Konkurrenz für andere Brauzentren
Das ist besonders brisant, denn erst kürzlich formierte sich mit dem MASH PIT eine Art Community-Brauerei für Hobbybrauer in Kreuzberg. Und solch ein Projekt ist zudem Konkurrenz für das Craft Zentrum in Spandau, das ja bekanntlich in Händen von BRLO ist. BRLO hatte übrigens mit Stone zusammen in den letzten Jahren den Hobbybrauer-Wettbewerb SLOSH BERLIN ausgerichtet. Und das SLOSH war jetzt von der BrewDog-Übernahme der größte Verlierer. Denn der Wettbewerb konnte am ersten Mai-Wochenende nicht wie geplant bei Stone stattfinden und wurde kurzfristig, mit kleinerem Rahmen, zu BRLO verlegt.
Wer weiß, vielleicht verträgt Berlin auch mehrere kollektive Brau-Orte. Aber dann auf jeden Fall mit herbem Preiskampf. Denn die Preisgestaltung in Spandau beispielsweise kann für Gypsys vielleicht mal lockerer ausfallen, wenn Steamworks Europe als Stammkunde dort regulär für den gesamten europäischen Markt braut. Auch die Brexit-Sorge hätte das by the way sehr abgeschmälert. Und wir wissen ja: Nach Köln, Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart, München, Leipzig und Dresden will Europas größter Craft-Brauer eigentlich auch noch.
Stone will nach Asien
Stone weitet derweil sein Geschäft in China aus – an vordester Front mit Berliner Weiße und Fruchtbieren. Allerdings wird das auch nicht einfacher, denn BrewDog baut eine Brauerei im australischen Brisbane – von da ist der asiatische Markt nicht weit. Und „Big Beer“ ist sogar schon da: Anheuser Busch InBev will Aktien auf dem asiatischen Markt ausschütten und an der Hongkonger Börse listen lassen. Klar gibt’s noch Schulden wegen der Übernahme von SAB Miller. Aber weil das Aktienpaket ausgelagert ist und laut Experten bis zu 70 Milliarden Dollar auf den Markt spülen wird: Auch Craftbier-Riesen haben da vorher noch ganz viel Equity zu packen.
Unvereinbarkeit zweier Kulturen?
Und weil es auch viel Häme gab concerning Stone, am Ende ein Link zu einer sehr guten Einschätzung, wie ich finde. Denn vielleicht hätte es geklappt, wenn Greg Koch versucht hätte, zwei Welten, zwei Kulturen, zusammenzubringen.
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