Schiffsbier, Hansebier, Mumme – Deutschlands Seefahrer-Biere

Hansebier. Oder: Schiffsbier. Foto: Kerstin Rudat

Bier stärker einbrauen, um es haltbar zu machen und mit auf Seefahrt zu nehmen? Klingt nach India Pale Ale, oder? Gab’s aber auch schon früh in Deutschland. Hansebier, Schiffsbier oder Handelsbier heißt der Sud.

Hamburg bzw. die Region Hamburg ist ja seit jeher Quelle von eigenen Bierstilen, die dann den Siegeszug durch ganz Deutschland machten. So ist das Weizen (okay, mit Ausnahme von Böhmen) eigentlich eine norddeutsche Erfindung und keine bayerische. Und das Bockbier kommt ja aus Niedersachsen. Besonders interessant ist aber der Bierstil Hansebier, oder auch Schiffsbier genannt.

Das ist ein Weißbier, das stärker eingebraut wurde, damit es per Schiff mitgenommen werden konnte. Es gibt Original-Rezepte aus der Hansezeit.  Es ist das Bier, mit dem Hamburg im 14. Jahrhundert in ganz Europa und bis nach Indien „berühmt“ wurde, quasi das „deutsche India Pale Ale“ (IPA).

Bis nach Indien

Lange Zeit war das Hamburger Weißbier das einzige Weißbier auf dem Markt, lange, bevor es in München berühmt wurde. Für das Originalrezept wurden nur frische Dolden Hanse-Hopfen verwendet. Nach Überlieferungen (alte Pack- und Lebensmittellisten) ist das Hansebier auch unter dem Namen „Schiffsbier“ (schepesbeer, Scipbier oder auch Schaffer-Bier) bekannt – weil es eben wie das britische Ale mit dem Schiff über/durch die ganze Welt gefahren wurde, oft bis nach Indien. Dafür musste es etwas stärker sein, als es auf Reisen ging, was vermutlich mit mehr Hopfen passierte, aber eventuell auch mehr Kräutern.

Als Marke gibt es Hansebier jetzt wieder, etwa aus Sachsen-Anhalt, das Hallesche Hansebier von der Brauerei Landsberg – frisch eingebraut und wiederbelebt in diesem Sommer. Konnte ich leider noch nicht trinken. Und nicht zu vergessen polnisches und russisches Hansebier. Auch super: Brauder aus Hamburg, mit regionalem Hopfen.

Natürlich ist das Thema Alkohol an Bord auch ein uraltes, problematisches. Aber der Rausch wurde wohl oft als Nebeneffekt gerne in Kauf genommen, weil das Bier an Bord Skorbut verhindern sollte. Oder noch harmloser formuliert: Bier diente an Bord damals einfach der Flüssigkeits-Regulierung. Wo es schwierig war, Trinkwasser mitzuführen, wurde Bier gelagert, da haltbarer. Wasser konnte faulen, brauchbare Wasser-Tanks gab es erst ab ca. 1815.

Medizinische Prophylaxe

Deswegen wurde vorher bei einer Fahrt nach Indien gerne mal mit doppelt so viel Bier oder Wein kalkuliert als Wasser. Wie beschrieben, alles zur Wasser-Regulierung allgemein und auch als medizinische Prophylaxe. An Bord konnte man kein Wasser abkochen, und dass destilliertes Wasser eher schädlich ist, war schon bekannt. Bier hingegen war wohlschmeckend – und wärmte neben Rum.

Es gibt sogar ein Mischgetränk aus Bier und Rum, den sogenannten „Flip“. Das war allerdings Dünnbier mit einem Alkoholgehalt von 1 bis 1,5 %. Manchen Besatzungen stand laut Kölner Brauerei-Verband 4-5 Liter davon am Tag zur Verfügung. Nach Aufzeichnungen heißt das beispielsweise: Den Matrosen wurde 1691 pro Besatzungsmitglied jeden Tag eine Gallone Bier, das wären nach dem damaligen Maß 3,7 Liter, ausgegeben. Haltbarkeit damals ist jedoch nicht mit Haltbarkeit heute vergleichbar: Der Biervorrat im 14./15. Jahrhundert reichte im Schnitt maximal 65 Tage. Allerdings wurde in Unkenntnis des Könnens des Hopfens damals Bier auch noch oft mit Kräutern versehen bzw. dann nach Bier-Genuss durch Zugabe von Kräutern rumprobiert, um Krankheiten zu behandeln, die eigentlich auf Mängelerscheinungen zurückzuführen sind. Mehr zu diesem Exkurs in Sachen Schiffsbier gibt es hier.

Handelsbier – die moderne Ableitung

Aus dem traditionellen Schiffsbier leitete sich später zu Zeiten der Hanse das sogenannte Handelsbier im 16. Jahrhundert ab. Auch das wird heute wiederentdeckt, unter anderem bei Lüne Bräu aus Lüneburg (der „Hanseat“). Es war wohl ein etwas stärker mit Weizenmalz eingebrautes, süffiges Bier mit eher herbaler Note.

Und noch mal zur Erinnerung: Sitz bzw. Zentrum der Hanse war damals nicht Hamburg, sondern Lübeck. Handelsgüter waren vor allem Wachs aus Russland, Stockfisch aus Norwegen, Hering aus Schonen, Salz aus Lüneburg, Getreide aus Preußen und Livland, Bier vor allem aus Wismar. Übrig geblieben ist hier eigentlich nur noch das Brauhaus am Lohberg.

Vom britischen Empire aus gab es auch Handelsbier für das Baltikum: Baltic Porter, Imperial Stout – Export-Bier von britischen Porter-Brauereien, das ebenfalls stärker gemacht wurde.

Und für Großbritannien hatte die Hanse auch ein erfolgreiches Seefahrerbier: die Mumme. Die Mumme kommt aus Braunschweig und wurde im 16. Jahrhundert über die Hanse nach Bremen oder Hamburg transportiert, um von dort wiederum verschifft zu werden. So richtig klar ist der Ursprung nicht, aber die Legende besagt, dass das Bier wohl schon 1492 von einem Brauer namens Christian Mumme erfunden wurde. im 17. Jahrhundert erfreute sie sich dann im Empire sehr großer Beliebtheit und wurde Export-Schlager für die Engländer. Von Beschaffenheit und Geschmack muss man sich die Mumme wohl vorstellen wie ein Gruitbier, mit vielen Kräutern und Baum-Nadeln, sogar Bohnenmehl soll für den Brauvorgang genutzt worden sein. In Braunschweig gibt es noch eine Mumme-Brauerei, bzw. wieder.

5 1 vote
Article Rating

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

error

Enjoy this blog? Please spread the word :)

0
Would love your thoughts, please comment.x