Neue Bücher über Bier: Neues von Markus Raupach

Foto: Kerstin Fritzsche

Vom Zufallsprodukt zum beliebten Genussmittel: Bier – eine Erfolgsgeschichte auf der ganzen Welt seit mehr als 13.000 Jahren. Bier-Experte und Sommelier Markus Raupach aus Bamberg hat darüber sein neues Buch geschrieben.

Eher zufällig entdeckt und lange als Wunder verehrt, weil man Hefe noch nicht kannte, ist Bier heute nicht nur Wirtschaftszweig, sondern seit Craftbier auch Lebensgefühl. Der Bamberger Bier- und Edelbrand-Sommelier und Autor von Bier-Guides Markus Raupach hat mit seinem ersten Sachbuch eine Geschichte des Bieres geschrieben, die sich an den Genusserfahrungen der Menschen durch die Jahrhunderte orientiert.

Reise durch mehrere Jahrhunderte

Von den Jägern und Sammlern der Steinzeit über das alte Ägypten und Afrika und die Entwicklung der Braukunst in Großbritannien und den USA bis hin zum Industrieprodukt Bier und der Craftbier-Bewegung nimmt Raupach den Leser kenntnis- und anekdotenreich mit auf die Reise. Dabei kommen auch Erklärungen zu verschiedenen Bierstilen und wie sie entstanden nicht zu kurz, es geht auch um die Rolle von Malz und Hopfen, untergärig oder obergärig, wo und wann Bier zu Hause oder kommunal oder im Kloster gebraut wurde und wie in einzelnen Ländern die Industrie Brauereien groß machte und neue Arbeitsfelder schuf – und die beiden Weltkriege diese vorübergehend zerstörten.

Reale oder erfundene Protagonisten erzählen aus ihrer Zeit

Raupach lockert mit kleinen wahren oder realistischen Geschichtchen aus der jeweiligen Zeit zu jedem neuen Abschnitt auf, lässt dabei vermeintliche Protagonisten jeweils aus ihrer Zeit erzählen, verliert aber nie die Wirtschaftlichkeit beim Thema Bier aus dem Blick. Zusammen mit dem umfassenden Anhang, der kurz und knapp deutsche, belgische und englische Bierstile und die Welt der Biersensorik erklärt und einen Bier-Events-Kalender beinhaltet, ist „Bier. Geschichte und Genuss“ das Fachwerk zum Hopfengetränk, das in Deutschland bisher gefehlt hat.

Manchmal ein bisschen too much und zwischen den Epochen gesprungen

Einziger Wermutstropfen: Es ist vielleicht ab und an zu viel des Guten. Raupach will viel und springt dabei zwischen Ländern und Zeiten hin und her. Gerade war man noch bei der Entwicklung des Hopfenhandels in Franken, dann ist man plötzlich beim Beerhouse Act in London. Gerade hat man gelesen, wie erfolgreich die Hanse war, dann geht es um die Entstehung von Bock und Doppelbock – die Legende, wie der Eisbock per Zufall im ja ebenfalls oberfränkischen Kulmbach entstand, wird übrigens leider nicht erzählt. Die ist aber toll – will ich euch nicht vorenthalten: Der Legende nach hatte circa 1890 ein Brauerei-Lehrling an einem Abend im Winter aus Versehen ein Faß mit Bockbier im Hof stehen lassen. Über Nacht gefror der Großteil des im Bier befindlichen Wassers, die restlichen Stoffe – vor allem natürlich der Alkohol – wurden dadurch konzentiert. Am Tag darauf ordnete der Meister seinem Gesellen an, den Eisblock aufzuschlagen – ob zur Strafe, damit er den Rest, von dem der Meister annahm, dass er ungenießbar ist, trinkt oder um den Rest des Bieres zu retten, ist nicht ganz klar. Allerdings war der konzentrierte Rest vom eingefrorenen Bockbier zur Überraschung der beiden durchaus genießbar – die Erfindung des Eisbocks, in der Bier-Stadt Kulmbach. Das Verfahren ist bis heute dasselbe geblieben: Dem Starkbier wird durch Gefrieren Wasser entzogen.

Halt nicht Pete Brown

Aber zurück zu Markus Raupachs Buch: England spielt auch eine große Rolle. Aber immer, wenn es um die britische Bierpolitik geht, ist leider ausgeblendet, wie sehr diese vom Gesellschaftssystem beeinflusst war, etwa damit Adel und Bürgertum sich weiterhin gegen die Arbeiter abgrenzen konnten oder weil Gin und Wein den feinen Herrschaften vorbehalten bleiben sollten – und die Orte des Trinkens nach Schicht getrennt waren, sehr lange getrennt blieben, bis das Pub als Ort für die ganze Familie sozusagen re-erfunden wurde – um dann im 20. Jahrhundert wiederum von großen Konzernen und Ketten verneinnahmt zu werden. Vielleicht hätte es erst einmal eine soziale Geschichte des Bieres in Deutschland getan, nach dem Vorbild von Pete Brown und seinen populärwissenschaftlichen Büchern über Bier in Großbritannien (Dazu schaffe ich übrigens hoffentlich auch noch mal in diesem Leben auf dem Blog hier eine Übersicht, dann man muss nicht Fangirl sein, um den Godfather of Beer Writing einfach wunderbar zu finden.). Wenn es um Vermittlung von Bier-Wissen geht, ist Brown ungeschlagen, wo Raupach im Vergleich hier und da doch recht trocken daherkommt.

Andere Wissenschaftskultur und -geschichte

So wie die Pub-Kultur bei den Briten einzigartig ist, scheint es ihre Wissenschaftskultur auch zu sein. Oder das lockere, amüsante Schreiben entsteht durch zahlreiche Pub-Besuche, man weiß es nicht genau. Allerdings gibt Raupach viele Anregungen zum Weiterlesen, etwa eben über die Hanse oder die Entwicklung der Gose. Vielleicht gibt es aber ja auch noch einen zweiten Teil von Raupachs Bier-Reisen durch die Zeit. Das Potenzial wäre auf jeden Fall da.

Foto: Kerstin Fritzsche
27 Brauereien und 22 Bier-Locations stellt Markus Raupach vor.

 

Die schönsten Brauereien in Berlin und Potsdam

Und wer weiterlesen möchte, kann das auch: Ebenfalls neu von Markus Raupach ist „Die schönsten Brauereien in Berlin und Potsdam“, das im Elsengold Verlag, zugehörig zum Palm Verlag, erschienen ist. Berlin hat sich zu einer der wichtigsten Bier-Städte der Welt gemausert, viele internationale Brauereien wie BrewDog und Mikkeller haben inzwischen auch in Deutschlands Hauptstadt eine Brauerei oder zumindest eine Bar. Raupach ist Gründer der Bamberger Bierakadamie – klar, dass er da auch den Blick gen Osten suchte, schließlich gibt es in Berlin auch eine Bierakademie.

Nicht weniger als 27 Brauereien stellt Raupach in seinem Buch vor. Dabei sind traditionelle Brauereien wie Berliner Kindl/Schultheiss, Craft-Brauer vor dem Craft-Boom wie Hops & Barley in Friedrichshain, Brewbaker oder die Bierfabrik und die „neuen Hippen“ wie BRLO oder Vagabund. Außerdem beschreibt Raupach 22 Berliner Bier-Locations, auch hier in großer Bandbreite von alten Kneipen, die schon immer eine breite Auswahl hatten bis hin zu Flagship-Bars wie eben von BrewDog. In einer Karte werden alle Bierorte dargestellt. Zusätzlich gibt es auch wie im anderen Buch eine Übersicht über Bierstile und Biersensorik. Und eine kurze Einführung in Berliner Biergeschichte.

Der nächste Berlin-Besuch sollte also nicht ohne dieses Buch stattfinden! Und das Gimmick daran, weil man ja auch gerne nicht nur lesen, sondern auch probieren möchte: Der Bier-Führer beinhaltet verschiedene Gutscheine im Gesamtwert von etwa 100 Euro. Dit is Berlin.

 

Markus Raupach: Bier. Geschichte und Genuss. Palm Verlag 2017. 208 Seiten, 19,95 Euro.

Markus Raupach: Die schönsten Brauereien in Berlin und Potsdam. Elsengold Verlag 2018. 144 Seiten, 19,95 Euro.

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