Neulich in der Punk-Kneipe: Nach dem Spätdienst noch ein Bier zu trinken, allein als Frau, ist kein Ding. Der Inhaber kennt mich schon und stellt mir was hin. Eintracht unter Spät-Feierabend-Trinkern.
Etwas schwieriger ist es da schon in Craftbier-Kneipen und- Gasthäusern. Also, nicht die Tatsache, dass eine Frau da alleine reinkommt, sich an die Theke oder an einen Tisch setzt und ein Bier bestellt, um dann wie die ganzen Bart und Holzfällerhemd tragenden Männer um sie herum das Glas gegen das Licht zu heben, zu schwenken und all die anderen Dinge zu tun, die man als wirklicher oder selbsternannter Sommelier so tut. Und vor allem in den Augen des Besitzers oder Bartenders ist das natürlich kein Ding.
Eine halbe Minute höchstens
Aber eine Frau wird nur höchstens eine halbe Minute haben, dies in Ruhe und nur für sich zu tun. Danach darf sie nicht wie all die Männer innerlich philosophierend über dem Bier brüten. Klar, eine halbe Minute ist ja schon viel. Zeit für sich. Früher hatten Frauen das ja nicht. Jane Austen hatte noch nicht mal ein Zimmer für sich allein, und Virginia Woolf musste es noch schreibend einfordern. Da muss frau schon froh sein (und schreibend Bier-Zeit einfordern). Und wahrscheinlich ist es nur die liebe Natur, die dafür sorgt, dass dann ein Mann tun wird, was ein Mann tun muss: Er wird anfangen, die Frau mit seinem Bier-Wissen zuzutexten. Wenn er ein bisschen höflicher ist als andere Exemplare seiner Gattung, dann wird er die Frau vorher fragen, ob sie schon mal hier war, welches Bier sie so mag und ob er ihr eines empfehlen darf. Letzteres aber freilich nur als rhetorische Frage. Klar, in Bierbars, vor allem für Craftbier, kann man auch coole Leute kennen lernen und ins Gespräch kommen, fachsimpeln. Aber: Auch Frauen wollen das nicht immer. Auch Frauen wollen einfach mal nur so gepflegt in Ruhe ein Bier trinken oder zwei. Einfach so.
„Was habt ihr von BrauFactum?“ „Craftbier!“
Letztens in einem Pop-up-Biergarten in einer mittelgroßen deutschen Stadt: Ich bin da zufällig zu Gast, entdecke den Biergarten und studiere die mit Kreide beschriftete Schiefer-Karte. Neben dem halbwegs lokalen Industriebier gibt es Guinness, ein Weizenbier-Mischgetränk und ein Craftbier. Nur welches? Das steht da nicht. Dann bin ich dran. Ich: „Welches Craftbier von BrauFactum habt ihr denn?“ Das Mädel in dem umgebauten Wägelchen lässt die Mundwinkel fallen und zieht sich schulterzuckend schon zurück. Der Typ sagt einfach mit breiter Brust (und oh ja, er hat eine!): „Craftbier!“ Ich: „Ja eben. Das ist die Marke. Es gibt mehrere von BrauFactum.“ Er wieder so: „Naja, das Craftbier.“ Bevor ich weiter etwas sagen kann, mischt sich sein Kollege vom Essensstand nebenan ein. „Wir haben da ein wunderbares IPA!“ Ich: „Okay, dann nehm ich was anderes… Moment….“ Er: „Das ist aber wirklich ganz toll!“ Ich: „Ja, ich kenne das aber schon, und das ist mir ehrlich gesagt jetzt für den frühen Nachmittag ein zu hoher Alkoholgehalt. Ich nehme ein….“ „Wie wär’s dann mit nem Guinness?“, platzt er in meinen Satz. Ich: „Nee, das ist mir auch zu viel, da liege ich dann ja gleich flach.“ Er: „Naja, soooo viel hat das auch nicht.“ Ich: „Naja, es ist ein Stout. Was völlig anderes, das will ich jetzt nicht. Ich nehme ein Sol (ja, ich weiß, aber an leichteren Bieren gab es sonst da nichts).“ Er guckt beleidigt, holt eins aus dem Kühlschrank und stellt es mir vor die Nase. „Also das hat jetzt auch nicht weniger Prozent als ein Guinness!“ Ich sage nichts mehr, lohnt nicht.
Wir haben 2017. Schön, dass Frauen selbst entscheiden dürfen, was sie trinken möchten. Und nein, um eine zusätzliche Belehrung in Sachen Alkoholgehalt nach Bierstil habe ich auch nicht gefragt.
Es braucht keinen Grund, um Alkohol zu trinken
Jungs, es ist so, wie Elisabeth Raether in ihrer Kolumne „Die trinkende Frau“ (gibt’s auch gesammelt als Buch!) geschrieben hat: Auch wir Frauen brauchen keinen Grund, um Alkohol zu trinken. „Wer lebt, braucht Alkohol. So ist das.“ Und, da hat Raether ebenfalls Recht, „das war etwas, das Frauen lange abgesprochen wurde: am Leben zu sein.“ Und der Alkohol im übrigen auch. Mal ein Likörchen oder ein Piccolöchen. Wenn aber Frauen genauso viel trinken wie Männer und dann möglicherweise noch aus denselben Motiven – nämlich: Genuss! – , dann ist das immer noch teilweise revolutionär. Denn, so Raether: „In jeder Kultur, die jemals erforscht wurde, gelten für Frauen beim Trinken strengere Regeln als für Männer. Im Dschungel durften sie nicht an Trinkritualen teilnehmen, in England durften sie nicht in die Pubs, Bars und Clubs. Manche Getränke waren komplett tabu.“
Okay, einige werden sich daran erinnern, dass früher hauptsächlich Frauen das Bier gebraut haben, vor allem in England und Deutschland. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass sie es auch getrunken haben (haben sie in den meisten Fällen ja auch tatsächlich eher nicht bzw. Bier eher als Allerwelts-Hausmittelchen verwendet). Und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Es gab höchstens Bier-Kränzchen, da blieben die Frauen weiterhin unter sich. (Übrigens hat niemand gesagt, dass sich evolutionär diese Tradition fortsetzen muss in Form von Piccolo-trinkenden Kränzchen auf Kegelverein-Ausflug den ganzen ICE von Frankfurt nach Hamburg beschallend.) In sofern ist den Jungs vielleicht gar kein Vorwurf zu machen. Und hey, in ihrer stillen Philosophie und im Sorgen-im-Bierglas-Ertränken sind sie in den Pubs und Bierkneipen und Gasthäusern dieser Welt nun eben nicht mehr alleine, dem Craftbier-Boom sei Dank. Da muss Mann sich erst einmal dran gewöhnen.
Für ein Recht auf Genuss für jeden!
Aber dennoch geht es vielleicht etwas weniger rumpelig: Jungs, wenn ihr das nächste Mal einer Frau erklären wollt, was sie trinken soll, dann checkt doch bitte vorher ab, ob sie nicht doch selbst Bier-Expertin ist. Oder wenigstens vielleicht eventuell so etwas wie einen eigenen, freien Willen hat.
Recht auf Genuss, für jeden. Und da kommen wir doch wieder zusammen.