Wer durch Schottland tourt, sollte unbedingt einen Abstecher auf die Halbinsel Black Isle oberhalb von Inverness in den östlichen Highlands machen. Feinstes Sea Food in einem der besten Restaurants Englands, mit etwas Glück Delfine beobachten – und eine wunderbare Brauerei entdecken.
Sobald man den Beauly Firth von Inverness aus überquert hat und die A9 für eine wesentlich schmalere Straße verlässt, wird es sofort ländlich und ruhig. Die Halbinsel Black Isle ist die Getreidekammer Schottlands, hier wird schon seit Jahrhunderten vor allem hochqualitative Gerste angebaut. Um den weiten Horizont und den Zusammenfluss dreier Fjorde genießen zu können, muss man schon ein bisschen fahren. Weil wir zumindest dabei schnell angenehm entschleunigt waren und weil das Schild schon halb verrottet ist und etwas uneinsichtig steht, hätten wir es fast übersehen: Auf dem Weg zum süßen Örtchen Avoch sagte uns ein Schild, dass es da links zu einer Brauerei abgeht. Der Black Isle Brewery. Genauer geguckt: eine Brauerei irgendwo am Ende dieses Holperpfades? Die kann ja nicht groß sein. Andererseits: Man kennt das ja in Schottland von den Destillen. Machen eine Welt-Whisky-Produktion, sind aber selbst nicht besonders groß und stehen an den unzugänglichsten Orten.
Am Ende des Holperpfades wartet das Gold
Also umgedreht und dem Schild gefolgt. Man holpert lange auf der Straße, die in Deutschland wohl unter „landwirtschaftlicher Nutzweg“ durchgehen würde, um dann irgendwann rechts abzubiegen auf einen leicht ansteigenden Schotterweg (wie kommt das Bier von hier gescheit weg???) und dann den Hof der Black Isle Brewery zu erreichen. Und hier wird auf den ersten Blick mit all den Tanks klar: Sooo klein kann die Brauerei nicht sein. Glücklicherweise kamen wir gerade genau richtig und konnten noch an einer Führung teilnehmen.

Alles ist sehr liebevoll, puristisch und modern, aber auch klassisch mit Holz und Materialien der Umgebung gestaltet. Die Black Isle Brewery, gegründet 1998 von David Gladwin, ist eine der wenigen Brauereien Großbritanniens und die einzige in Schottland, die all organic braut, also bio. Sie baut nicht nur ihre eigene Braugerste an – natürlich! – , sondern auch Obst, Kräuter und Gemüse. In sofern ist die Brauerei dann auch nicht jottwehdeh, sondern mittendrin – was sich auch im Namen spiegelt. Denn die Black Isle Brewery ist Teil der Allangrange-Farm. „Allangrange“ ist Gälisch für „ein fruchtbares Kornfeld“. Drum herum sind 120 Morgen Bio-Farmland. Das Beste daran: Man kann auf dem Farm-Gelände auch übernachten, in einem Cottage. Dann wacht man auf mit dem Blick auf die wachsende Gerste, zum Blöken der Schafe und dem Gurren der Hühner um einen herum. Pferde gibt es auf der Allangrange-Farm natürlich auch noch. Und Haus-Kuh Molly, die fleißig den Treber frisst.

Ein fruchtbares Feld
Witzigerweise hat Gladwins Familie neben der Landwirtschaft ursprünglich in Wein gemacht. Diese Erfahrungen, vermutlich auch über Vertrieb und Marketing, ließen sich aber auch gut ins Biergeschäft einbringen. Unter ihrem Motto „Save the planet, drink organic“ ist das Bier der Black Isle Brewery inzwischen inselweit bekannt und wird auch ins Ausland vertrieben, sogar nach Japan, Indien und China (nein, leider noch nicht nach Deutschland). Die Brauanlage schafft 10.000 Liter am Tag. Acht Biere gibt es regulär, daneben noch acht saisonale, und drei Collab Brews hat Black Isle auch schon gemacht. Einige Biere sind prämiert. Überzeugt haben mich vor allem „Goldeneye“, das West Coast IPA von Black Isle, der „Yellowhammer“, das „Any Time IPA“ der Brauerei, das glutenfreie Session IPA „Goldfinch“ (Silber-Gewinner der Scottish Beer Awards 2016 und übrigens gebraut für Aldi in Nordengland) sowie der „Hibernator“, das Oat Meal Stout. Auch das traditionelle Porter ist sehr schön: kräftig, schokoladig, lakritzig-kaffeearomatisch und vollmundig. (Und für alle Oberfranken: Es gibt ein Bier, das „Marmalat“ heißt.) Die Biere der Black Isle Brewery sind Craft, ohne explizit Craftbier sein zu wollen. „Wir machen nur, was uns selbst schmeckt und von dem wir denken, dass es auch örtlich funktioniert“, sagt denn auch die nette Dame nach der Führung. „Schottland ist ein Dorf, unser Bier muss auch den Leuten hier schmecken.“ Alle Biere der Black Isle Brewing Company sind vegan, auch vegan geklärt (bis auf die mit Honig natürlich).
Großbritanniens Route 66 hat ein eigenes Bier
Ein bisschen Landes-Werbung ist aber auch dabei. So ist das ziemlich leckere und würzige North Coast 500 Session IPA streng genommen auch eine Collab – für den Tourismus. Denn die North Coast 500 ist quasi Schottlands Route 66 und wahrscheinlich die spektakulärste Küstenstrecke in ganz Großbritannien. Da macht es sich schon ziemlich gut, wenn sie auch in einem Bier eine Hommage findet.
Nachdem man die Brauerei besichtigt hat, naja, eigentlich eher besser davor sollte man hoch zum Chanonry Lighthouse fahren. Achtung, der One-Way-Track führt mitten durch ein Golf-Gebiet – keinen Golfball an den Kopf schmettern lassen! Und zur richtigen Tageszeit kann man hier, wo drei Fjorde zusammenlaufen, Delphine beobachten, die von der Nordsee her kommend auf Nahrungssuche gehen. Übrigens liegt auf der anderen Seite des Fjordes in Fort George das Highlander-Museum.

Das kleine Städtchen Fortrose quasi unterhalb des Golfplatzes lohnt einen Spaziergang. Zum einen, weil es einfach schön ist, mit typischen, pittoresken Häusern und tollen Gärten. Zum anderen wegen der Ruine der im 13. Jahrhundert zerstörten Kathedrale. Fortrose war mal königliche Stadt, und hier lassen sich im Kleinen ganz gut die Religionskriege nachvollziehen, die das Empire im Norden jahrzehntelang so erschütterten. Wer sich für die Mythen und Legenden Schottlands interessiert, ist in Fortrose auch genau richtig, denn hier lebte im 17. Jahrhundert der Brahan-Seher. Bis heute ist nicht genau klar, wer der Mann genau war. Die einen Wissenschaftler sagen, dass es jemand aus dem Clan der Mackenzies war, die anderen zweifeln an, dass es den Seher jemals gab.

Weltklasse-Langusten in Munlochy
Und dann noch ein kulinarischer Tipp: Im Allangrange Arms in Munlochy gibt es sowohl erstklassige Steaks als auch erstklassiges Sea Food zu echt fairen Preisen. Ich hab noch nie in meinem Leben vorher so eine gute mediterran zubereitete Languste gegessen.
Für wen das was ist: Die Black Isle Brewing Company lädt regelmäßig junge Menschen ein, die Interesse an der biologischen Landwirtschaft haben. Die können dann auf der Farm leben und die Bio-Welt noch ein Stück besser machen. Und wer es nicht auf die Black Isle schafft: In Inverness gibt es eine Black Isle Bar, die praktischerweise auch Zimmer über dem Pub vermietet. Außerdem gibt es um die Ecke auch ein kleines Black Isle Hostel. Warum also immer Edinburgh oder Glasgow?
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