Mit Ostern ist die Fastenzeit vorbei, und viele greifen wieder zu Fleisch und Alkohol. Wer auf Bier verzichtet hat, hatte aber gute Alternativen. Jenseits von Clausthaler gibt es immer mehr alk-freie Bierstile, auch „bleifreies“ Craftbier kommt immer mehr. Sechs alkoholfreie Craftbiere im Test.
Lange Zeit gab es gefühlt nur Clausthaler, wenn man alkoholfreies Bier trinken wollte. Abgesehen davon, dass es hier inzwischen auch schon drei weitere Sorten neben dem Original gibt, wurde alkoholfreies Bier schon viel früher erfunden, nämlich in der damaligen DDR: das Autofahrer-Bier, kurz AUBI. Und zwar aus einer Not heraus, denn in der DDR galt die 0,0-Promille-Grenze. Das Sensationsbier der VEB Engelhardt-Brauerei in Berlin-Stralau wurde auf der Leipziger Messe 1972 erstmals vorgestellt. Das Clausthaler kam sieben Jahre später auf den Markt. Das AUBI war in der DDR zunächst nur an Autobahnraststätten erhältlich. Man stelle sich das heute mal vor! Wie so vieles Gutes aus der DDR verschwand auch das AUBI nach der Wende. Nachdem die Engelhardt-Brauerei 1991 an die Dortmunder Brau und Brunnen AG (genau, diesem ehemaligen riesigen Komplex aus Dortmunder Union und Schultheiss, der dann voll an die Wand gefahren wurde) verkauft wurde, wurde die Produktion eingestellt.
Wie wird alkoholfreies Bier gemacht?
Ganz einfach: Man drosselt oder stoppt die Gärung und kühlt die Würze brutal auf null Grad runter. Dann können die Hefebakterien nicht mehr arbeiten und Zucker in Alkohol umwandeln – das war damals zumindest der gängige Vorgang. Dadurch schmeckte alkoholfreies Bier aber auch sehr süß. Deswegen sind jetzt eigentlich andere Verfahren beliebter, etwa den Alkoholgehalt erst nach der Gärung zu reduzieren, das Bier zu filtern oder den Alkohol auszukochen (sogenannte Vakuum-Destillation). Auch können Spezialhefen verwendet werden, die bei der Gärung einfach weniger Alkohol produzieren. Das sorgt aber auch alles dafür, dass ein alkoholfreies Bier niemals ganz alk-frei ist, sondern immer einen Alkoholgehalt von 0,2 bis 0,5 Prozent hat. Tatsächlich hatte das AUBI übrigens auch noch einen Alkoholgehalt von etwa 0,3 Prozent.
Steigender Marktanteil
Doch nicht zur Fastenzeit, auch im heißen Sommer ist alk-freies Bier zunehmend als Durstlöscher beliebt, allen voran die Radler-Mischungen. Inzwischen machen alkoholfreie Biere schon einen Anteil von knapp 7 Prozent am Markt aus. Für Werner Dinkelaker, Chef der Schönbuch Braumanufaktur, sind Biere mit geringem Alkoholgehalt ohnehin der Markt der Zukunft – zumindest ein Teil davon. Denn Frauen trinken weniger Hopfenbomben und wollen mehr Geschmack. Deswegen sind für ihn auch jenseits von Radler Biermischgetränke denkbar. Was ist zum Beispiel mit Kirschsaft? Biere mit Holunder- und Holunderblütensaft gibt es ja bereits. Sie haben einen Alkoholanteil zwischen 2,4 und 3 Prozent.
Alkoholfreie Craftbiere im Test
Da für mich Radler aber nur nach dem Arbeiten im Garten in Frage kommt, wollte ich wissen: Wie sieht es denn mit den bleifreien Craftbieren aus? Im Test waren:
- Riedenburger Dolden Null
- Kehrwieder überNormalNull
- Wolfscraft Brutal
- BRLO Naked
- BrewDog Nanny State
- Riegele IPA Liberis 2+3
Festzuhalten ist, dass alle überraschend würzig waren. Aber natürlich behandeln wir hier auch Pale Ales und IPAs und keine Pilsner. Man darf also davon ausgehen, dass andere Hefen und geschmacklich gehaltvollere Hopfen wie auch bei den normal-alkoholigen Pendants ihr Werk tun.
Im IPA Liberis 2+3 von Riegele (0,5% / IBU 25) stecken etwa eine Irish-Ale-Hefe und eine Riegele-Spezialhefe, zwei Malze und außerdem die drei Hopfensorten Amarillo, Mandarina und Simcoe. Es sollte daher tropisch, mit Noten von Mandarine und Citrusfrüchten daher kommen, hat aber tatsächlich eine ziemlich starke Bittere. Im Körper kommt es zwar schlank daher und hat so eine gute Drinkability, aber mit anderen Worten: Mir ist es zu hopfenbetont und daher nicht ganz rund.
Ebenso verhält es sich leider beim Dolden Null aus dem Hause Riedenburger (0,5% / IBU 42). Da verspricht das goldgelbe Bier im Glas über die Nase mehr, als es dann geschmacklich halten kann. Vom Bouquet her mit Zitrus- und grasigen Noten kein Unterschied zum „normalen“ IPA, auch der Antrunk ist feinherb und von ausgewogener Hopfenbittere. Aber dann fällt der Geschmack leider sehr schnell ab. Der typische IPA-Geschmack ist nur kurz auf der Zunge, danach hat man das Gefühl, man trinke ein normales Pils, weil sich die Aromen nicht halten können. Freilich ist das Dolden Null aber aus ökonomischen Gründen die bessere Alternative, denn es ist mit durchschnittlichen 1,99 Euro stets 50 bis 60 Cents billiger als das alkoholfreie Riegele-IPA.
Kommen wir zu den Pale Ales. Hier findet sich in der gleichen Preiskategorie wie das Liberis 2+3 das Naked von BRLO (0,5% / IBU 40) aus Berlin. Für mich auf jeden Fall optisch die ansprechendste Flasche eines alkoholfreien Bieres, da hat sich jemand wirklich auch inhaltlich Gedanken gemacht. Aber Verpackung ist bekanntlich ja nicht alles. Es hat zwar gleich drei aromatische Hopfen (Lemondrop, Citra, Mandarina Bavaria). Aber auch das Naked kann geschmacklich nicht so ganz halten, was der Nase versprochen wird. Es bleibt ein süßes Malz-Aroma, insgesamt ist das alk-freie BRLO-Pale Ale aber nicht ganz ausgewogen. Meine Beurteilung wird dem Erfolg des Naked aber keinen Abbruch tun, denn in zwei Craftbier-Online-Shops gehört es zu den Bestsellern im Segment.
Noch enttäuschender ist da das Brutal von Wolfscraft (0,4% / IBU 15). Ansonsten eigentlich eine Craftbrau-Schmiede, auf die es sich zu achten lohnt, denn ihr Bier ist gleichzeitig zertifiziertes Bio-Bier. Einen ganzen Obstkorb bei gleichzeitiger angenehmer Hopfigkeit soll das Brutal liefern. Aber leider zeigt sich beides nicht so richtig, das Bier ist einfach nur flach, es bleibt eine fahle Bittere im Abgang. Also man kann das schon mal trinken, aber hier steht das Genusserlebnis halt überhaupt nicht zum Preis-Leistungs-Verhältnis. Schade. Dann greife ich doch lieber wieder zum fruchtig-süffigen Super Lager von Wolfscraft.
Das BrewDog Nanny State (0,5% / IBU 50) ist der Klassiker unter den alkoholfreien Craftbieren, unter den alkfreien IPAs sowieso. Es hat alles, was man sich wünscht und wie man es sonst von den schottischen Hunden gewohnt ist: exotische Fruchtnoten, vor allem Mango und Ananas, gepaart mit voller, süßer Malzigkeit gefolgt von angenehmer Hopfen-Bittere im Abgang. Wahrscheinlich aber auch kein Wunder, denn das Nanny State hat von allen getesten Bieren den höchsten Stammwürze-Anteil; es werden mit Crystal, Amber, Münchner Malz, Dark Crystal, Cara sowie einem Roggen- und einem Weizen-Malz gleich sieben Malze und außerdem sechs Hopfen (Amarillo, Cascade, Simcoe, Centennial, Columbus, Ahtanum) verwendet. Dafür hat der Klassiker von BrewDog mit durchschnittlich 2,59 Euro auch den höchsten Preis.
Oliver Wesseloh in Hamburg war wohl angenervt vom Platzhirschen BrewDog auch im alkfreien Segment und kreierte bereits 2015 sein eigenes bleifreies IPA. Das überNormalNull von Kehrwieder (0,4% / IBU 45) wird denn auch vermarktet als „erstes deutsches alkoholfreies IPA“. Richtigerweise ist es das sozusagen zusammen mit dem Nittenauer Le Chauffeur. Denn Kehrwieder braut sein alkoholfreies IPA aus Kapazitätsgründen auch in Nittenau, der allererste Testsud fand gemeinsam statt, und die Nittenauer haben das Rezept leicht verändert eben auch für sich übernommen. Das „ü.NN“, wie es auch genannt wird, ist in Bouquet und geschmacklich fast nicht zu unterscheiden von einem stärker alkoholhaltigen IPA. In Fruchtigkeit, Malzigkeit, Bittere und der Beständigkeit dieser drei Elemente ist es ausgewogen und damit der Gewinner meines kleinen Tastings. Keine Ahnung, ob das Auswirkungen auf Zusammensetzung und Geschmack hat, aber vielleicht liegt es daran, dass Olli quasi ein eigenes Verfahren entwickelt hat: Er verwendet eine Hefe, die quasi bei den erreichten 0,4 Prozent von selbst aufhört, weil sie den Malzzucker nicht vergären kann. Dadurch muss man keine weitere Maßnahmen bei der Gärung oder danach treffen, und vielleicht verleiht das dem Bier eine gewisse Natürlichkeit, die man dann eben auch schmeckt – seit letztem Jahr übrigens auch ausgezeichnet: Gold beim European Beer Star und den Internationalen Craft Beer Awards.
Und wer das Original von 1972 möchte: Das geht! Das AUBI gibt es immer noch. Jetzt gebraut von der kleinen Privatbrauerei Metzler in Dingsleben in Thüringen, die 1998 die Rechte an dem Autofahrer-Bier erwarb. Übrigens immer noch beziehungsweise wieder mit einem Alkoholgehalt unter 0,5 Prozent.
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