In der vergangenen Woche ging es um den Markt. In Deutschland und in den USA. Erst einmal den News-Markt und in ihm Nachrichten über Craftbier. Es gibt inzwischen kein regionales Nachrichtenportal in Deutschland mehr, das noch nicht über den Craftbier-Boom berichtet hat, glaube ich. Diese Woche neu dabei: Solinger Tageblatt, Badische Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger („Hier wird auf dem Ring Craftbier getrunken“), NOZ, aber auch speziellere Medien wie Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung, ze.tt und n-tv sind jetzt dabei. Und dann gibt es wilde Diskussionen, ob Craftbier einen Marktanteil hat und wie hoch der ist. In den USA überschlagen sich Bierblogs, dass selbst Supermärkte jetzt erobert werden, zB „Brew Studs“ hier.
Schaut man genauer hin, so ist das aber nicht wirklich ein Grund zur Freude, denn an erster Stelle dabei stehen nicht Craftbiere, sondern „flavoured malt beverages“, „infused beers“ und cider. Also das, was in Deutschland hauptsächlich unter „Biermischgetränke, moderne“ laufen würde. Das Blog bezieht sich auf Zahlen der Brewers Association. Demnach ist die Präsentation von Craftbier um 9,4% gestiegen, das entspräche einem Plus von 120 Millionen Dollar. Insgesamt mache der Verkauf von Craftbier einen Gewinn von 1,4 Milliarden Dollar jährlich in den USA aus. Leider fehlen da die Vergleichszahlen, wie es insgesamt mit dem Bier-Markt aussieht und wie der sich aufteilt auf die einzelnen Segmente.
Die Biere mit dem größten Zuwachs, vor allem in Supermärkten sind jedenfalls nicht Craftbiere, sondern „12 of the top 16 new beer brands have some flavor element added to them, the biggest player being Henry’s Hard Soda Orange. In 2016, the newcomer sold 2.24 million cases of the beer by the middle of 2016, compared to Coney Island Hard Root Beer, which sold 4.8 million cases in 2015″. -> It’s up to your interpretation, folks! Differenzierter liest sich das bei Bryan Roth in seinem Blog. Er hatte schon früh im Auge, dass Marktwuchs nicht alles ist für neue Craftbrauereien bzw. dass diese sich immer wieder neu erfinden und ihre Produkte ausdiffrenzieren müssen, wenn sie auf dem Markt bestehen wollen. Cratbrauereien geht es 2016 gut, so das Fazit von Bryan. Aber es kann nicht jeder gleich viel von dem Kuchen abhaben, erklärt er.
Das Meiste an (neuen) Zugewinnen machen etablierte Marken mit neuen Bieren wie etwa Sierra Nevada. Gleichzeitig hat Sierra Nevada insgesamt aber kein so großes Wachstum: „The nation’s top two craft brewers, Boston Beer and Sierra Nevada, are now both in decline and combined volumes for the top 12 craft brewers grew only 1% for the three months to May, Sanford C. Bernstein stated citing Nielsen figures in a report titled ‚The Dramatic Slowdown of Craft Beer Continues‚.“ Eher nicht differenziert, sondern geradezu euphorisch hinsichtlich des Marktanteils („den Markt aufgemischt“) gab sich auch ein Artikel auf dem Portal des Goethe-Instituts, der in der größten deutschen Craftbier-Gruppe in Facebook für Diskussionen sorgte – und auch einige Fehlerchen und Oberflächlichkeiten angesichts des Reinheitsgebotes hat.
Für Deutschland sag ich’s mal so: Ich würde mich freuen, wenn sich neben dem BrauFactum-Kühlschrank bei Real und Edeka auch ein „regionaler“ Kühlschrank dort – oder als Gegenbewegung bei Kaufland – finden würde. Das kann ja nicht so schwer sein. Und was die Marktmacht von Craftbier in Deutschland betrifft: Auf Initiative von Maisel & Friends in Bayreuth gibt es seit dem Frühjahr einen Zusammenschluss als GmbH (auch beteiligt sind And Union, Brlo, Crew Republic, Jeroen Bosch und Stiegl) unter dem Namen „Neue Bierkultur„ mit Sitz in Frankfurt zur besseren Vermarktung.
Was gibt’s noch Neues? Whiskey-Hersteller Jameson steigt in den Craftbier-Markt ein – mit einer Kollaboration. Bier aus der Franciscan Well Brewery in Cork wird in Jameson-Whiskey-Fässern reifen und unter dem Namen „Caskmates“ (zumindest für mich klingt das so) Innis & Gunn Konkurrenz machen. Bin sehr gespannt. Und ein Rezept für einen Cocktail namens „Fassbruder“ mit dem neuen Produkt gibt es auch schon.
Craftbier soll auch Selbstbedienungsrestaurants erobern – jedenfalls bei Jim Block. Die Kette kündigte gerade eigene Saisonbiere namens Just Beer an, die vom Schwesterunternehmen Blockbräu (2012 gegründet, Brauhaus am Hamburger Hafen, Landungsbrücken) exklusiv für Jim Block hergestellt werden – ein Synergieeffekt innerhalb der Block-Gruppe, da dazu auch Blockhouse-Restaurants gehören. Die Block-Gruppe hat 1174 Mitarbeiter, 38 Restaurants in Deutschland, 9 Restaurants im europäischen Ausland, produziert nach eigenen Angaben rund 6500 Steak-Menüs pro Tag und über 2 Millionen Steak-Menüs im Jahr. Demnächst gibt es also alles aus einer Hand zusammen in den Restaurants: Craftbier und Burger. Was es jetzt im Sommer bereits bei Jim Block gab: ein Sommerweizen, eingebraut nach eigenen Angaben mit Weizen- und Pilsener-Malz und hopfengestopft mit Hallertauer Cascade. An fruchtige Noten hat die Kette seine Kunden also schon herangeführt. Mal sehen, wann McDonald’s angreift. Oder etwa Convenience-Food-King Volkswagen? Burger und Craftbier aus Wolfsburg demnächst an Autobahn-Raststätten anstatt Currywurst?
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