Puh, einen Monat nicht geschrieben! Aber ich bin in der Zwischenzeit halb umgezogen nach Stuttgart und habe einen neuen Job angefangen. Nach harten drei Wochen hab ich jetzt mal wieder ein bisschen mehr Zeit für Bier und so. Trinken geht ja leider immer schneller als Schreiben. 😉
Bei einem Supermarkt-Besuch in Stuttgart bin ich auch über das hier gestolpert (siehe Bild). Stümple hat jetzt sogenannte Beer Caps für seine Bierstumpen, mit denen man sich seinen „Lieblingsmix“ selbst machen kann, indem man das Bier quasi infiltriert. Geschmacksrichtungen sind Rum-Grapefruit, Wodka-Zitrone und Rhabarber. Wer’s braucht…
Stuttgart ist biertechnisch aber nicht sooo schlecht. Mit drei Biershops und dem gemütlichen „Kraftpaule„, der jetzt auch einen Ableger in Böblingen aufgemacht hat, bin ich weiterhin ganz gut bedient. Die Braumanufaktur Schönbuch vor der Tür, die zum 2. Stuttgarter Craft Beer Festival vergangenes Wochenende (zeitgleich mit den Kieler Craft Beer Days!) als Experimentier-Festivalbier im Beer Release ein Brown Ale präsentierte, das auch eine Karriere als Rauchbier in Bamberg bestehen würde, und die CaSt-Brauerei um die Ecke.
Und Dinkelacker steigt jetzt ebenfalls in die Craftbier-Szene ein, nach eigenen Angaben angeblich auf Wunsch der Gastronomie. Seit Dienstag nach Ostern gibt es das „Hopfenwunder„. Nicht im Handel, sondern nur in ausgewählten Gastronomien. Das „Hopfenwunder“ ist streng genommen nicht neu, das Pale Ale (5% Alkohol, 11,6% Stammwürze) mit den Hopfen-Sorten Amarillo, Simcoe und Cascade wurde letztes Jahr erstmals zum Brauereifest eingebraut. Offenbar kam das Meisterstück von Jungbraumeister Matthias Noack gut an. Die Familienbrauerei selbst sieht es als Förderung von Talenten und jungen Mitarbeitern. Aber auch in den „ausgewählten Gastronomien“ ist das „Hopfenwunder“ limitiert erhältlich. Besonderes Gimmick: Auf den ablösbaren Rückenetiketten findet sich ein Gewinnspiel. Wer eine goldene Hopfendolde hat, bekommt einen Jahresvorrat an Dinkelacker-Bieren. Wieder mal: Wer’s braucht…
Es gibt neue Brauereien: Die Steckenpferd-Brauerei in Kassel wurde erfolgreich gecrowdfundet und kann jetzt durchstarten. Auf Föhr soll eine neue Brauerei entstehen, als Projekt einer Gemeinde im Frühjahr 2018. In Gruibingen/Esslingen (ja, ich bleibe irgendwie in Baden-Württemberg) gibt es mit „Inspirationsbräu“ (waren auch beim Stuttgarter Craft Beer Festival) eine neue Brauerei.
In Bremen wird wohl bisher einmalig in Deutschland innerstädtisch Hopfen angebaut.
Und eine interessante Personalie gibt es: Der Marketing-Experte von Jägermeister wechselt zu Stone.
Bier und Werbung: Eine unfassbar dreiste Mogelpackung und damit eine Vermischung von Journalismus und Werbung mit dem Etikett „Craftbier“ hat sich der „Musikexpress“ geleistet. Ja genau, die Musik-Zeitschrift, die eigentlich sonst eher mit Seriosität auffällt. Weil Hanscraft & Co. aus Aschaffenburg aber für das Barrel Aged Bier „Taithí Nua“ eine Kooperation mit Jameson eingegangen ist, die wiederum zum Drink-Imperium von Pernod Ricard gehören, ist der Artikel „5 erfolgreiche Tipps für Craft-Beer-Einsteiger“ kein Artikel, sondern bezahlte Werbung (ich verlinke aus Gründen nicht). Das Titel-Foto dazu ist bereits eins von Hanscraft, was man am Logo erkennen kann, wenn man dieses kennt, aber nicht muss als Einsteiger. Dann kommen die fünf Punkte, die, ehrlich gesagt, nicht sooo aussagekräftig sind, und dann kommt ausgerechnet unter Punkt 5 „Mit einfachen Sorten anfangen“ das „Taithí Nua“, als Bild und Kurzbeschreibung. Was nun ein schönes, aber kein einfaches Bier ist und sicherlich kein Einsteiger-Bier. Zum Schluss folgt ein Gewinnspiel. Man kann, richtig, eine Flasche des Barrel Aged Bockbiers gewinnen, zusammen mit Bierglas sowie einer Flasche Jameson Whiskey mit Whiskey-Tumbler. Scary, dass sich diese Werbe-/Redaktionsvermischung, die zu Festivals bei Konkurrenzprodukten des „Musikexpress“ vorherrscht, nun auch hier durchschlägt. Als müsste man redaktionell erst Anlässe schaffen, um etwas verlosen zu können. Die Musik-Zeitschrift „Intro“, die sonst eigentlich eher dafür bekannt ist, es mit der Trennung von Redaktion und Werbung nicht allzu genau zu nehmen, featuret das neue Bier auch, aber ohne Gewinnspiel. Interessant dagegen und launig zu lesen: das Phänomen Craftbier bei „Öko-Test„.
Und den Craftbier-Rant der Woche liefert jemand, der eigentlich selbst schon lange Craftbier macht und den ich sehr schätze und feiere für seine Biere und seine Art als Brauer: Das FAZ-Bierblog „Reinheitsgebot“ – ach nee, stimmt ja gar nicht, der stellvertretende Leiter des Feuilletons hat Georg Rittmayer („den Schorsch“) aus Hallerndorf bei Bamberg gefragt, was er eigentlich so von den aktuellen Entwicklungen hält. Rittmayer macht im Forchheimer Land in Oberfranken schon seit gefühlten Ewigkeiten das, was man woanders Craftbier nennt. Und noch 20 andere Sorten. Der Schorsch selbst nennt seine besonderen Biere Kraftbiere. Leider sind sie in Oberfranken direkt nicht soooo erfolgreich. Aber im Rest von Deutschland hat man großes Interesse. Und deswegen geht das, dass der allgemeine Forchheimer halt einfach weiter sein Landbier süffelt oder sein Weißbier, und alle anderen, die ein bisschen mehr über den Tellerrand gucken (möchten), freuen sich über Rittmayers „Smokey George„, den Aischbüffel oder das Summer 69. So ist das. Weil – trotz oder gerade wegen der großen traditionellen Vielfalt – der Franke an sich eben gerne lokal trinkt. Immer noch. Das muss man wissen. Das muss man vor allem wissen, bevor man den Artikel von Jakob Strobel Y Serra liest. Auch wissen muss man, dass Hallerndorf mit Aufseß, ebenfalls in Oberfranken, um den Titel „Ort mit der höchsten Brauerei-Dichte pro Einwohner der Welt“ konkurriert. Aufseß hat den Titel seit einigen Jahren inne. Aber wenn Hallerndorf eine Brauerei mehr gründet…. wozu beispielsweise Georg Rittmayer große Lust hätte. Aber ich schweife ab. Wenn der Feuilleton-Vize Rittmayer hätte einfach mal reden lassen, wenn das ein Interview geworden wäre oder ein Protokoll und kein Artikel, dann wüsste der oder die Bier-Interessierte mehr. Der Großteil steht im Konjunktiv und in Aussage-Halbsätzen und Rittmayer wird was zugedichtet wie etwa das: „Die Szene sei voller Laien und Spinner, die Biere mit den absonderlichsten Geschmäckern brauten, von denen man kein zweites Glas herunterbekäme – eine schändlichere Gotteslästerung ist für jeden aufrechten Franken undenkbar.“ – Ach ja? Und ich dachte, die größte Schande überhaupt ist immer noch, wenn Franken als Bayern bezeichnet werden. Oder wenn man speziell Oberfranken mit Oberpfälzern verwechselt. Rittmayer, ein interessanter Brauer, kommt dadurch leider eher umsympathisch und arrogant rüber. „Das bayerische Reinheitsgebot bedeute für ihn keine Einschränkung, sondern eine Herausforderung“, steht da, bei über 200 Hopfen-Sorten und den vielen Hefen und Aromen, die damit erzeugt werden können. Das ist kein Gegensatz, wie der Autor wissen könnte und sollte, sondern das sehen Hunderte andere Kreativbrauer auch so. Deswegen hat sich unter anderem federführend mit den nur 60 Kilometern weiter östlich gelegenen Brauern von Maisel & Friends in Bayreuth die Initiative „Neue Bierkultur“ gegründet, die gleichzeitig eine GmbH für bessere Vermarktung ist. Vielfalt zu verdammen dürfte sicherlich nicht im Sinne Georg Rittmayers sein, denn dann kann er sein eigenes Bier nicht mehr zB in Berlin vermarkten. Sicherlich mögen schwarze Schafe und Trittbrettfahrer jetzt mit an Bord sein, die eine Welle wirtschaftlich asnutzen wollen, aber genau die werden dann auch die ersten sein, die wieder untergehen, wenn sich auf dem Markt etwas verändert. Außerdem sind Gypsy Brewer darauf angewiesen, auf einer fremden Anlage brauen zu können, und schon dadurch ergibt sich ein wirtschaftliches Ungleichgewicht.
Muss man nur mal beispielsweise wiederum 60 Kilometer weiter, diesmal südlich, fahren und in Nürnberg Felix vom Endt, die Jungs von NBG oder Karsten Buroh von Eppelein & Friends fragen. Oberfranken hat qua Tradition immer noch einen Standort-Vorteil. Aber auf dem kann man sich auch nicht ewig ausruhen. Auch nicht, wenn der Feuilleton-Vize einer großen überregionalen Zeitung da mal zufällig in einem guten Biergarten zu Gast war. Aber vermutlich liegt’s an mir: Ich habe übersehen, dass das Ganze unter „Kolumne“ läuft. Augenzwinkernd ist es aber auch nicht. Und wer jetzt noch nicht eingeschlafen ist, der kann sich – gleiche Linie – über das Pro und Contra der „Heilbronner Stimme“ über Craftbier ärgern.
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