Mit dem jede Woche eine Bierschau klappt irgendwie leider grad nicht. Dafür sind grad wieder ein paar Artikel am Entstehen. Und ein paar Sachen muss ich jetzt doch loswerden, zu den Großen und Kleinen und den Marktveränderungen und zu dem, was die anderen machen. Außerdem hab‘ ich grad angefangen, „The Search for the perfect Pub“ von Paul Moody und Robin Turner zu lesen. Wenn ihr Orwell-Fan seid oder euch auch fragt, warum es eigentlich so schwer ist, die perfekte Kneipe zu finden, dann lest das. Geht zwar um Britain, aber einiges ist auch auf Deutschland übertragbar.
Was ist so passiert? Hamburg hat jetzt als erste Stadt in Deutschland ein eigenes Bier, gebraut zur Vermarktung der Stadt.
Der erste Deutsche Meister der Hobbybrauer kommt aus Hessen: Nico Leffler aus Erzhausen (hallo Heimat!). Er überzeugte am Samstag im Störtebeker Brauquartier die 35-köpfige Jury aus Sommeliers, Braumeistern und Bierbotschaftern mit seinem hellen Bockbier und setzte sich gegen rund 80 Konkurrenten durch. Auf Platz 3 kam übrigens mit Wiebke Melcher eine Frau, auch das ein Grund zur Freude. Im Publikumswettbewerb gewann Tobias Kandler aus Freiberg. Er braut bereits seit 20 Jahren. BRLO in Berlin wird sein Gewinner-Bier, ein Spezial Ale mit besonderer Malzmischung und englischem Aromahopfen, demnächst einbrauen.
Apropos BRLO: Die Berliner Brauerei beteiligt sich am Berliner CraftZentrum in Spandau. Das CraftZentrum soll noch in diesem Jahr gegründet werden, um den Gypsy Brewern der Hauptstadt eine Anlage zum Brauen und Abfüllen größerer Chargen zur Verfügung zu stellen. Mal sehen, ob sich dann auch was auf dem Berliner Markt im Verkauf ändert, an dem die Radeberger-Gruppe durch die Bindung vieler Marken und Gastronomien sowie Getränkemärkte immer noch die Mehrheit hält.
Boulevard Brewing kommt nach Europa. Und der belgische Konzern Duvel wird es brauen. Duvel Moortgat hat bereits neun andere Marken bei sich, darunter auch Firestone Walker, jedoch hauptsächlich für den amerikanischen Markt. Vorher hatte bereits im ersten Halbjahr 2017 die Hamburg Beer Company drei Biere von Boulevard Brewing exklusiv in Deutschland vermarktet.
Sommer, über 30 Grad – klar, ein kühles Bier hilft da immer beim Abkühlen. Aber habt ihr euch nicht auch manchmal schon gefragt, warum es nicht Bier-Eis geben kann, das wäre bei dem Wetter noch perfekter? Well, es gibt welches. Die Eis-Tüftler Jackle & Heidi, bürgerlich Martin Horst und Franziska Göttsche, aus Mecklenburg-Vorpommern, haben eins entwickelt. Ein Video dazu gibt es hier. Leider bisher nicht in Süddeutschland erhältlich.
In Wuppertal gibt es jetzt den ersten deutschen Craft-Beer-Kiosk. Mit Bier vom Fass – das ist das Besondere. 150 Sorten Flaschenbier gibt es in defm Kiosk im Luisenviertel, und jetzt eben auch bis zu vier vom Fass. In Berlin wiederum gbt’s schon viele Große – und es werden immer mehr. Im September eröffnet BrauFactum eine Bier-Gastro am Alexanderplatz. Nicht nur die eigenen Biere soll es dort geben, sondern auch die der Freundes-Marken Firestone Walker, Mikkeller, Palm & Boon oder Birrificio Italiano – aus 16 Zapfhähnen plus angeschlossener „Barbecue-Küche“.
Apropos andere Berliner Große: BrewDog eröffnete frisch, wird in Ohio in den USA eröffnen – und sucht gerade einen geeigneten Spot für eine Brauerei in Australien, am liebsten in New South Wales.
Bier gereift in Whisky-Fässern und umgekehrt war ja grad der Trend des Winters. Immer mehr neue Craftbiere werden aber auch mit Whisky zusammen verkauft – weil das Bier in dessen Fass gereift ist oder einfach weil es passt, etwa zu einem rauchigen Stout auch ein kräftiger Whisky. Auch von der Herstellung haben Bier und Whisky ja viel gemeinsam. Dabei hat die Kombi Tradition, vor allem in Irland, wo man schon immer Bier zusammen mit Whisky getrunken hat. Diese Tradition will Tullamore D.E.W. in Deutschland aufleben lassen und sucht gerade das passende Craftbier für seinen Whiskey. In Deutschland ist Campari Distributor von Tullamore D.E.W. und hat drei Pairing-Veranstaltungen bei und mit BRLO, Gaffel und Ratsherrn organisiert. Unter dem Motto „D.E.W. & A Brew“ soll es jeweils ein Bier für Tullamore D.E.W. Original, Tullamore D.E.W. 12 Year Old Special Reserve, Tullamore D.E.W. 14 Year Old Single Malt und Tullamore D.E.W. Phoenix ab September geben.
Letztens gab’s ja schon Bier als Hilfe für Veteranen, jetzt soll es auch Bier in den USA geben, dessen Erlös Familien helfen soll, in denen jemand beim Militär arbeitet und gerade weg ist oder verletzt und daher arbeitsunfähig. „Operation Homeland“ heißt die Aktion für das patriotische Bier von Carson Daly und der Other Half Brewing Company in Brooklyn, New York.
Wer andere disst, wird abgemahnt und muss zahlen – oder Bier vernichten. So ist es dem Bier-Start-up Ravensberger in Bielefeld passiert. Ihr naturtrübes „Bielefelder Flutlicht“ haben die Jungs mit dem Hashtag #endlichkeinBiermehrausHerford beworben und prompt eine Wettbewerbsklage am Hals gehabt. Das Hashtag ist zwar jetzt nicht das Problem dabei und darf sogar bestehen bleiben, bei der Klage ist aber aufgefallen, dass der Brauort Höxter nicht auf dem Etikett angegeben ist – das hätte er aber sein müssen. Deswegen müssen nun alle Flaschen, die mit dem fehlerhaften Etikett versehen sind, bis zum 30. September vernichtet werden – das sind nach Angaben von Ravenberger rund 2.000 Flaschen pro Tag Inhaber Mike Cacic veranstaltet Partys und Gewinnspiele, um den Absatz anzukurbeln. Wer trinken will, um zu helfen, kann sich auf Facebook bei der Brauerei direkt informieren.
Es tut sich was in der Bier-Presse: Seit diesem Monat gibt es ein neues, fünftes Bier-Magazin. Es heißt „Bier, Bars und Brauer“, wird von Blaufeuer Verlagsvertretungen GmbH herausgegeben und von den Getränke- und Lifestyle-Journalisten befüllt, die teils auch die „Mixology“ beliefern. Genauer: Aus der Bier-Doppelseite der „Mixology“ ist nun ein eigenes Print-Produkt entstanden. Blaufeuer ist bereits in der Szene unterwegs, denn aus dem Hause stammt neben der „Mixology“ auch das Gourmetmagazin „Effilee“, das Online-Craftbier-Magazin Hopfenhelden.de, das Weinmagazin CaptainCork.com sowie der Bier-Index. Ziel: „die Bierbranche kritisch, analytisch und transparent begleiten, Bierwissen fördern und Bierkultur aktiv mitgestalten“. Auflage 10.000 Stück. Jedoch gehen davon allein schon 6.600 Exemplare frei an Brauereien, den Getränkehandel und an die Gastronomie. Kritisch also die begleiten, bei denen man hauptsächlich ausliegt? Das wird inhaltlich sicher megainteressant.
Die Zielgruppe sind jedoch in erster Linie auch nicht Ottonormal-Biertrinker, sondern das Magazin versteht sich als Fachmagazin für alle, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz Bier verkaufen. Da wird das mit der inhaltlichen Unabhängigkeit sogar noch mal interessanter. So weit, so ehrgeizig, so schön. Eher nicht so schön ist das neue Bier-Magazin auf Facebook gestartet. Da wurden gleich mal die anderen Bier-Magazine gedisst. Weil man bzw. genauer der von IKEA kommende Marketing-Mensch und „Bier, Bars und Brauer“-Kolumnist Sepp Wejwar, besser bekannt als „der Biersepp“, der Meinung ist, die hätten alle keine Haltung und würden auf geringem journalistischen Niveau und mit zweifelhaften Kriterien den neuen Brauern gefällig schreiben. Genau zitieren kann ich es leider nicht mehr, weil die nette Konversation wieder gelöscht wurde und dort offenbar nach dem Willkommen für Wejwar nur stehen darf: „Ihr Lieben – ich fühl mich auf Anhieb wohl bei Euch. Ein Bier-Magazin mit HALTUNG – großartig. Bin sehr gern dabei.“
Ich persönlich finde ja, dass es keine gute Strategie ist, gleich zu Anfang auf andere einzuhauen und sich „wir-sind-aber-besser“-mäßig zu gerieren (und das sage ich nicht nur, weil ich zufällig Autorin eines der anderen gedissten Magazine bin). Aber der Markt wird’s wie beim Bier selbst sicherlich schon richten. Denn der Konsument ist ja mündig und entscheidet immer frei, gell? Ach, nicht? Marktmacht, sagt ihr? Übergewicht der Großen? Tjaha.
Da ist noch eine Presse-Größe, die in der Kalkulation von Blaufeuer und Wejwar nicht berücksichtigt wurde: Auch die überregionalen Zeitungen entdecken das Thema Craftbier immer mehr für sich. Und zwar zunehmend professionell, nicht mehr mit diesem beleidigten Aber-das-Bier-ist-doch-doof-Unterton wie am Anfang. Und Fachpublikum hin oder her. Der Konsum und damit die Marktgewalt wird vom anderen Publikum entschieden. Und da haben andere Medien einfach die höhere Reichweite. Und wer gibt (oh, da steht bei den Mediadaten gar kein Preis – zum Vergleich: Die „Mixology“ kostet 8,50 Euro) aus, wenn er die Infos auch weiterhin zB über Hopfenhelden.de haben kann und eben die Tagespresse-Verlage mit ihren Online-Angeboten?
Apropos die anderen: Die „Welt“ schreibt über Greg Koch und Stone – und das tatsächlich verhältnismäßig differenziert und mit interessanten Zahlen: „In der Berliner Brauerei, von der aus man mehr als 24 europäische Länder beliefert, will man 2017 knapp 35.000 Hektoliter herstellen – perspektivisch sind bis zu 100.000 Hektoliter pro Jahr möglich.“ Es ist nicht der erste Artikel. Und nicht nur werden Brauer vorgestellt, es geht auch um einzelne Bierstile oder die Marktentwicklung oder die besten Sommer-Biere oder sogar Nischen-Themen wie die Frage, ob Dosen wirklich besser sind als Flaschen. Allerdings ist bei dem Artikel hier ein altes Video von N24 dabei, das auf den „499. Geburtstag des Reinheitsgebots“ aufmerksam macht. Dabei ist das umstrittene Gesetz doch schon 501.
Die „Zeit“ hat gerade 32 Hamburger Biere getestet, denn man wollte mal gucken, warum der Pils-geprägte Norden plötzlich so auf das neue Bier mit fruchtigen Noten abfährt. Ebenfalls nicht der erste Artikel.
Von der FAZ/FAS wissen wir ja, dass hier regelmäßig über Bier geschrieben wird, außerdem gibt es ja noch das Blog „Reinheitsgebot“. Gerade gab’s einen Artikel, warum das Allgäuer Büble deutschlandweit so erfolgreich ist. Nett, aber auch da fehlt wieder die Hälfte. Wegen Bergen und so, also der Herkunft, darauf zu schließen, dass deshalb sehnsuchtsvoll deutschlandweit das Augustiner erfolgreich ist, dabei aber außer Acht zu lassen, was es mit dem neuen Boom von Hellem in Deutschland auf sich hat, ist süß. Genauso, wie die Autorin nicht auf die Idee kommt, dass der Craftbier-Boom vielleicht mit dran schuld ist, dass es vielfältigere Vertriebswege gibt. Oder wie sich große und kleine Brauereien dabei gegenseitig helfen und das vielleicht auch ein Grund sein könnte, siehe Maisel und Veltins. Oder dass die Großen beispielsweise alte, aufgekaufte Marken vertreiben oder Retro-Marken wieder aufleben lassen und was das mit Marktmacht zu tun hat.
Die „Berliner Zeitung“ hat sich anfangs auch recht schwer getan mit Craftbier und wurde so zusammen mit der „Morgenpost“ des öfteren zum Lachobjekt der Szene. Jetzt geht’s aber, in Verbindung mit alten, lokalen Themen kommt dann so etwas bei raus wie der Artikel die Woche über Berliner Weiße und dass die ihr Comeback erlebt (was zweifelsohne so ist, außerdem sind Sauerbiere weltweit grad beliebt).
Die „Salzburger Nachrichten“ veröffentlichen ein Craft-Beer-Lexikon. Erstaunlich ist bei den ganzen Artikeln: So fern es nicht ganz lokal ist (neuer Brauer, bauliche Veränderungen, …), stehen diese Artikel im Wirtschaftsteil der Zeitungen. Gleichzeitig ist man immer noch davon überzeugt, dass sich der Craftbier-Boom noch nicht groß wirtschaftlich, sprich auf den Biermarkt, auswirken wird. Merkt ihr selber, ne?
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