Die kleine Bierschau vom 11.10.2018

Foto: Kerstin Fritzsche

So, der Sommer ist vorbei, damit auch die Blog-Pause (mann, hatte ich Durst!) mit Urlaub und so (even more Bier, denn ich war in Schottland!), die kleine Bierschau nimmt ihre Arbeit wieder auf.

Erstmal war ich total platt, als ich gehört habe, dass die beiden großen, konkurrierenden Brauereien in Stuttgart für das Jubiläum 200 Jahre Cannstatter Wasen gemeinsame Sache machen. Ein Jubiläumsbier von Dinkelacker und Stuttgarter Hofbräu gemeinsam! Das ist eine Sensation, Leute! Und: Es schmeckt auch noch. Im Ernst, das ist ein ganz außergewöhnliches Festbier, finde ich. Klar, stärker eingebraut wie jedes Festbier. Aber das merkt man gar nicht, es kommt recht leicht daher trotz 13% Stammwürze und 5,7% Alkohol. Malzig, herb, natürtrüb, bernsteinfarben, süffig – wie es hätte vor 200 Jahren sein können, aber, quasi für all die Newbeeries: mit einem IPA-Flash, … Ich war echt beeindruckt. Zwei Jahre Planung (im Geheimen), gebraut wurde bei Dinkelacker in der Tübinger Straße, zusammen mit den Hofbräu-Braumeistern. Das Problem für Bier-Fans: Der Stoff ist nicht frei in Flaschen verkäuflich, ohnehin gibt es nur 54.000 Liter von dem besonderen Gerstensaft. Wer es beim historischen Volksfest auf dem Marktplatz (so wie ich) nicht trinken konnte, hat es auch schwer in der Stadt. Eigentlich gibt es das Kooperationsgebräu nur noch in der Brauerei-Gaststätte Dinkelacker, und auch da, so sagte man mir jedenfalls, gäbe es nicht mehr viel. Also ran an den Sud, wenn ihr noch könnt! Das ist Stuttgarter Biergeschichte.

Und wenn wir schon bei Dinkelacker sind: Die Brauerei übernimmt rückwirkend zum 01.01. die Mauritius Brauerei in Zwickau. Die bisherigen Gesellschafter Rainer Otto (63) und Werner Weinschenk (64) übergeben ihr Unternehmen zu 100% an die neuen Eigentümer und stärken damit nachhaltig den Standort der Brauerei. Geschäftsführender Gesellschafter wird Jörg Dierig, der viel Branchenerfahrung aufweisen kann. Er tritt seine neue Aufgabe am 01.09.2018 an und wird in den folgenden Monaten noch von Werner Weinschenk begleitet. Rainer Otto ging nach 28-jähriger Betriebszugehörigkeit Ende August krankheitsbedingt in den Ruhestand. Für die Familienbrauerei Dinkelacker ist der mehrheitliche Einstieg bei Mauritius ein wiederholtes Engagement, denn die Zwickauer gehörten von 1990 bis 2004 komplett zu den Stuttgartern (vor InBev-Zeiten). In dieser Zeit wurde die Brauerei mit erheblichen Investitionen komplett erneuert. So weit ich weiß, ist das Engagement in Zwickau das einzige von Dinkelacker außerhalb von Baden-Württemberg. Spannend, mal sehen, ob noch mehr ostdeutsche Brauereien geschluckt werden bzw. Partner-Angebote bekommen.

Von InBev im Süden ist’s nur eine Hopfenranke zu Beck’s. Beck’s will’s wissen. Sich als In-Marke etablieren. Erst die Kampagne „Ran ans Label – Mach’s zu deinem Beck’s“ mit den leeren Etiketten, die von Fans selbst gestaltet werden konnten (Die 40 Gewinner-Labels kommen Ende des Jahres in den Handel). Jetzt kommt das „Soundpils“. Die Idee dahinter: Nicht nur Tomaten wachsen besser mit Musik, sondern Hopfen wächst besser mit den Geschichten und Sounds seiner Fans. Also der Beck’s-Trinker. Klappt mal mehr, mal weniger gut, wie das Video zeigt. Aber we love you hops, we really do, you better grow!

Wacken. Ein Festival, das inzwischen jeder mag. Die Wacken-Brauerei, Bier, das inzwischen jeder mag. Aber: Die Jungs dahinter, die so unkonventionell daherkommen, haben im Sommer ziemlich für Ärger gesorgt. In Skandinavien. Denn sie haben sich auf ihr „Beer of the Gods“ das Markenrecht bei mehreren nordischen Götternamen für die ganze EU gesichert. Grundsätzlich richtig: Ein Unternehmer sollte sich alle Markennamen, die er so hat, markenrechtlich schützen lassen. Aber bei den Namen der Wacken-Biere ergeben sich da gleich zwei Probleme. Zum einen ist die Frage, wer zuerst da war mit den ikonischen Namen, die Wacken-Brauerei oder die skandinavischen Brauereien. Zum anderen ist es ja so, dass vieles aus Mythologie und Sagen quasi gar nicht geschützt ist und auch nicht von einzelnen geschützt werden können sollte, weil es kulturgeschichtlich Allgemeingut ist. Oder eben künstlich verarbeitet wird. Also Richard Wagner kann sich ja nicht mehr wehren, aber auch er hat ja mit seiner Oper Zeichen und Duftmarken gesetzt – was würde er jetzt dazu sagen, dass der „Walkürenschluck“ plötzlich ein Markenrecht auf „Walküre“ setzt? Oder was macht die Porzellanfabrik Walküre? Warum darf auf Halbgötter, Sagengestalten und Naturgeister überhaupt irgendwer ein Recht oder Patent haben? Wie man hört, haben die Wacken-Jungs sich wohl genau diese Frage auch noch gestellt, ein Einsehen gehabt und werden andere Brauereien wohl doch nicht abmahnen oder gar vor Gericht zerren. Im Gegenteil: Man plane ein gemeinsames Festival im Sommer. Besser ist das. Denn die Geschichte hat ja auch gezeigt: Es ist nie gut, auch die Götter gegen sich aufzubringen. Nicht, dass Loki noch mal Feuer macht. Und ein Ragnarök will ja wohl keiner.

Nachdem Tilman Ludwig mit seinen Tilman’s Bieren endlich auch einen Ort geschaffen hat, zu dem man hinpilgern kann, und Markus Hoppe wohl schon sehr bald nach wahnsinnig schneller Bauzeit sein Brauhaus mit Gaststätte eröffnen kann, baut auch Thorsten Schoppe für sein Schoppe Bräu in Berlin an der Schönhauser Allee ein Brewpub – hell yeah! Macht auch Sinn, denn bei Pfefferbräu oberhalb wird in Prenzlauer Berg das Schoppe-Bier ja gebraut.

Wir bleiben in Berlin. Da gibt’s ja bekanntlich mit dem CraftZentrum in Spandau eine Braustätte für Gypsy-Brauer. Christian Gläser und Tim Hauke wollen nun das Heimbrauen auf professionellere Füße stellen. „The Mashpit“ soll Hobbybrauern gegen kleines Geld all das bieten, was ihr Herz begehrt und wofür ihre heimische Küche zu klein ist. Nur: Einen Ort gibt es leider noch nicht. Im Frühjahr schien ein Standort gefunden, das hat sich aber zerschlagen. Nun sind die beiden Bier-Enthusiasten, von denen es auch ein gemeinsames Bier, das Cloud 9, gibt (ja, von To Ol gibt’s auch eins mit dem Namen), erneut auf der Suche. Christian ist übrigens kein Unbekannter in der Berliner Bierszene. Er veranstaltet seit ein paar Jahren den Hobbybrauer-Wettbewerb „SLOSH“ für Berlin und Brandenburg, den mittlerweile Stone Berlin unterstützt und hostet. Nächstes Jahr soll das Ding sogar bundesweit stattfinden.

Apropos Stone: Der Craft-Riese hat seine vierte Uniqcan released, den Fellow-Sip. Wie der Name schon vermuten lässt, eine Team-Geschichte, und zwar mit ein paar von Großbritanniens angesagtesten Brauereien: Buxton Brewery, Magic Rock und North Brewing Co. in Kooperation mit der Independent Manchester Beer Convention (IMBC). Das Prinzip ist ungefähr dasselbe wie bei Maisel & Friends in Bayreuth mit ihrem Freundschaftssud Hopfenreiter: Jeder der Brauer bringt einen Hopfen mit. Beim Fellowsip soll es sich jeweils um einen Hopfen handeln, der für die jeweilige Brauerei einzigartig und wichtig ist (Citra, Mosaic, Ariana). Hinzu kommt auch noch das Malz von jedem: Pilsner, Barley Malt, Wheat Malt, Acidulated Malt, Golden Promise. Erstmals vorgestellt wurde das Collab-IPA mit 7% Alkohol – natürlich – Anfang des Monats bei der IMBC.

Vom neuen Bierstil zum alten. Von England etwas weiter südlich nach Norddeutschland, zum Pils. Pils rules. Ihr wisst ja, auch die Craft-Welt entdeckt zunehmend das Pils. Weil man nicht die ganze Zeit 8%-Biere trinken kann. Oder dann jedenfalls nur eins. Craft und alte Bier-Welt vereinigt jetzt Ratsherrn in Hamburg. Die 4-Pils-Serie „New Era“ will nicht das Pils neu erfinden, aber die Tradition wieder hochleben lassen und als Inspiration für Neues verstehen. „Was wir wollen, ist, das Potenzial dieses traditionsreichen Bierstils ausschöpfen. Den Aromen verschiedene Formen und Farben geben, mit aufregenden Hopfensorten experimentieren, mit dem Alkoholgehalt Achterbahn fahren“, heißt es dazu aus der Brauerei. Markenzeichen auf den Labels: die Halskrause, die der echte Ratsherr damals trug. Tatsächlich eröffnen sich bei Imperial, Pfeffersack, dem Session und dem Dry Hopped Aromen und Vielfältigkeit, wie man sie dem Pils nicht (mehr) zutraut. Zudem ist der Zug von Ratsherrn geschickt, denn Pils ist ja neben dem böhmischen Pils aus dem heutigen Tschechien ein norddeutscher Bierstil – und Deutschlands meistgetrunkener Bierstil. Meistgetrunken, aber eigentlich wenig divers – schon komisch, oder? Naja, das ändert sich ab jetzt auf jeden Fall!

Crowdfunding für eine neue Brauerei kann ja jeder. BrewHeart aus Otterfing bei München ist die erste Craft-Marke, die sich getraut hat, komplett online zu starten. Und tatsächlich redet jetzt jeder über Andreas und Roland ihr Bier. Vielleicht auch, weil ihre Biere lustige Namen haben. „Dr. No“ für das alkoholfreie, „Hop Dylan“ oder „Ale Capone“ erinnern ein bisschen an Sudden Death Brewing aus Timmendorfer Strand und ihre Bier-Namen zwischen „Pils Brosnan“ und „Juice Willis“. Inzwischen gibt es die vier Brewheart-Biere natürlich auch an nicht-virtuellen Orten – und das soll ausgebaut werden.

So viel haben wir schon über Europa hier geredet, jetzt noch mal eine positive Nachricht zum Schluss: Craftbier kommt zwar aus Nordamerika und hat für einen neuen Bierboom auf unserem Kontinent gesorgt. Aber, so sagt jedenfalls Mintel Food & Drink laut einer neuen Studie, die Innovation der Szene ist jetzt in Europa. Die Produkte und auch ihre Einführungen in den Markt seien mittlerweile weitaus kreativer und innovativer: „Es ist nur fünf Jahre her (2013), dass Nordamerika (insbesondere die USA) die weltweite Craftbier-Industrie dominiert hat, mit 52 Prozent aller Craft Bierprodukteinführungen. Im Vergleich dazu kamen 2013 nur 29 Prozent aller neuen Craftbiere aus Europa. Heute sieht die Sache jedoch ganz anders aus: Im Jahr 2017 kamen 54 Prozent aller neuen Craftbiere aus Europa und nur 19 Prozent auf Nordamerika. Seit 2013 hat die Craft-Beer-Szene in Europa ein enormes Wachstum erfahren. Markteinführung von Craft-Bierprodukten sind um 178 Prozent gewachsen und haben sich damit mehr als verdoppelt. Die USA sind immer noch der weltweit innovativste Markt, mit 17 Prozent aller weltweiten Craftbier-Produkteinführungen. Europa hat aber deutlich aufgeholt: Sechs der Top 10 innovativsten Märkte für Craftbier sind in Europa.“ An erster Stelle stehe hier Großbritannien (auch gleichzeitig der drittinnovativste Craftbier-Markt der Welt), dann kommen Norwegen, Spanien, Italien, Frankreich und Schweden.

Andererseits, so war ja kürzlich bei „The Full Pint“ zu lesen: Es reicht auch nicht mehr, einfach nur gutes Bier zu machen.

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