Ende März feierte der Kraftpaule in Stuttgart – Craftbier-Kneipe und Bottle Shop – seinen zweiten Geburtstag und gab das vorläufige Aus bekannt. Die Hintergründe sind vielfältig und etwas verstrickt, es hat etwas damit zu tun, dass das Gebäude in der Nikolausstraße im Stöckach in Stuttgart-Ost einen neuen Besitzer hat, der mehr Miete möchte, dass die Akustik im Raum nicht die beste ist und es im Sommer sehr schnell sehr heiß wird, dass dann alle draußen sitzen und stehen und sich die Anwohner über Lärm beschweren. Und wenn man dann um 22 Uhr schließen muss, alle aber erst ab 18.30, 19 Uhr kommen können, weil sie vorher eben arbeiten, dann ist das Geschäftsmodell auch nicht so prall. In drei Stunden muss der Kraftpaule seinen ganzen Tagesgewinn machen.
Standortpolitik frisst Nischenkultur
Der Schock war groß, vor allem, weil der Ableger in Böblingen trotz Anpassung des Konzepts nach dem Sommer dann doch Ende November schließen musste. Also am Konzept liegt’s in Stuttgart nicht, so viel kann man auf jeden Fall sagen. Und normale bis alternative Kneipen, in denen nicht (nur) das Standard-Bier ausgeschenkt wird, gibt es in Stuttgart definitiv zu wenig. Und das ist für eine Landeshaupt- und Großstadt schon irgendwie ein Armutszeugnis. Aber ich schweife ab, das ist ein völlig anderes Thema. Oder auch nicht. Denn die Standortpolitik hat ja auch mit der Attraktivität einer Stadt zu tun. Ob sie was bieten kann für ihre diversen Bevölkerungsschichten. Und da zeigt sich hier leider: So schwierig es ist, in Stuttgart eine Wohnung zu finden, so schwierig ist es auch, einen bezahlbaren Gewerbestandort zu finden. Und zwar so, dass man auch wahrgenommen wird, möglichst Laufkundschaft hat. Zu weit draußen geht nicht. Im Wohngebiet geht nicht. In der Innenstadt viel zu teuer. Zwar wird er auf lange Sicht sicherlich auch wieder in Stuttgart aufschlagen, aber nicht ohne Grund ist Sebastian „Sebo“ Riedmüller mit seinem Craftbier-Shop nach Ludwigsburg gegangen.
Gleiches ist übrigens übertragbar auf die Kultur dieser Stadt: Wagenhallen, jetzt die Kulturinsel in Bad Cannstatt, … Diese Stadt ist so reich. Also müsste sie es sich doch auch leisten können, all denen was zu bieten, die nicht Prosecco saufend an der Theo oder der Königstraße (übrigens Deutschlands drittmeistfrequentierte Einkaufsstraße, die Klugscheißer-Anmerkung) sitzen wollen oder können.

Heiligs Blechle: Über 40 Brauereien an zwei Tagen
Zurück zum Kraftpaule. Der bleibt jetzt allem Alarm im März zum Trotz erst einmal in der Nikolausstraße. Geschäftsführer Thorsten Schwämmle spricht von Dingen und Geschehnissen im Hintergrund, die noch nicht öffentlich werden können. Aber das Wichtigste: Es gibt die Kneipe mit ihren alternativen Bieren am alten Standort noch mindestens ein Jahr.
Und diese Nachricht kann man direkt feiern, quasi doppelt feiern, denn am Freitag und Samstag findet das dritte Stuttgarter Craft Beer Festival im Wizemann statt. 43 Brauereien, so viele wie noch nie, und der Kraftpaule selbst mit eigenem Bier nehmen teil. Zudem präsentiert OnePint sechs Vertriebs-Brauereien, darunter Himburgs Baukunstkeller, Jopen aus Haarlem und Superfreunde aus Berlin. Ein Schwerpunkt wird slowenisches Bier sein. Außerdem ist reichlich Unterhaltung geboten, wie immer mit Beerlesque, einem Festbier, dem legendären Bierkrug-Stemmen und Live-Musik. Das erste Mal werden sich auf dem Festival die Bier-Sommeliers und -Sommelières des Südwestens treffen und sich dem Wettbewerb „Bier-Sommelier des Südwestens“ stellen. Und an beiden Tagen wird der Über-Schwabe Michael Gaedt Teil des Programms sein. Wie immer gibt es auch zahlreiche Tastings – in erstmals drei Tasting-Räumen. Neu hinzugekommen ist der „Nerdroom“ für echte Hopheads, mit Raritäten und Spezialitäten, die Bier-Sommelière Victoria Rieber zusammen mit den BeerKeepern präsentiert.
Nerdroom für Hopheads und IPA-Aficionados
Ich finde die Auswahl insgesamt unfassbar gut – da weiß man gar nicht, wie man schlau trinken soll, weil man leider zwischen Jopen, Hertl, Camba, Frau Gruber, Tilmans, Schneeeule, Insel-Brauerei, Rogue Ales und Yankee & Kraut sonst schnell hinüber ist, persönlich freue mich aber vor allem auf die regionalen Brauerinnen und Brauer, und da ganz besonders auf: Bierwerk Gerstenfux aus Nürtingen (eine meiner Entdeckungen 2017!), sowie Freigeist Bierkultur und Almut Zinn mit ihrer Marke „Emma – Biere ohne Bart“ aus Freiburg! Und dann ist mit Flügge noch eine Microbrauerei aus meiner Heimat, aus Frankfurt-Niederrad, mit am Start. Das wird spannend.
Be there. Drink craft not crap!
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