Bierstacheln – was ist das?

Ich wurde in letzter Zeit gleich mehrfach gefragt, was Bierstacheln ist, ob ich das kenne und ob ich das mal erklären könnte. Der Brauch wird erfreulicherweise immer bekannter und wurde kürzlich sogar bei „Das perfekte Dinner“ aus Bayreuth gezeigt.

Ganz simpel gesagt geht es beim Bierstacheln darum, kaltes Bier im Winter auf eine wärmere, angenehme und trinkbare Temperatur zu bringen. Dazu wird ein Metallstab erhitzt und ins Bier gehalten, viele „rühren“ sogar im Bier. Das erzeugt, wenn ein dunkles, höherprozentiges, vollmalziges Bier verwendet wird (am besten Bockbier), einen hohen feinporigen Bierschaum, da der Zucker im Bier karamellisiert. Zudem wird Kohlensäure entzogen. Und so ist das Bier nicht nur insgesamt wärmer, vor allem der Schaum, sondern es ergibt sich auch noch eine Geschmacksexplosion, weil Schaum und die zwei Temperatur-Lagen des flüssigen Bieres unterschiedliche Geschmackslagen und Rezenzen haben.

Tradition aus dem Mittelalter

Das Bierstacheln geht aufs Mittelalter zurück. Weil es keine Möglichkeit gab, Bier zu lagern und die Temperatur selbst zu regeln, kam einmal ein Schmied auf die Idee, vermutlich einen Schürhaken (= „Stachel“) zu erhitzen und ins Bier zu tauchen, um es zu erwärmen. Allerdings dauerte es dann noch ein paar Jahrzehnte mehr, bis diese Handhabung zur Temperaturregulierung dann auch in den Wirtshäusern ankam, wurde aber der Legende nach in Süddeutschland (hier ist bestimmt nur Bayern gemeint) auch fleißig in Brauerei-Gasthöfen praktiziert, bevor die Methode des Bierkühlens erfunden war. Ein Hofbräuhaus im Berchtesgadener Land rühmt sich etwa damit, seit 375 Jahren zur Jahreswende Bierstacheln mit einem erhitzten Hufeisen zu betreiben. Tatsächlich kehrt das Bierstacheln auch heute in die Gastronomie zurück, es gibt aber auch professionelle Bierstachel für den Hausgebrauch zu kaufen. Allerdings ist es kein Haken mehr, sondern ein Stab mit einer Kugel unten dran. Die Kugel sorgt dafür, dass die Hitze gleichmäßig zu allen Seiten im Glas abgegeben wird.

Ich habe Bierstacheln das erste Mal in Oberfranken erlebt und war sofort begeistert. Natürlich ist die alte Tradition generell in Bayern wieder mehr verankert, aber schönerweise erlebt sie überall ihre Renaissance. Auch in englischsprachigen Ländern wird das Verfahren immer bekannter, „Beerspikes“ zum Inventar vieler Brauereien. Wenn ihr die Chance habt: Probiert es unbedingt!

Hier ein Video aus Weihenstephan, wie das dann aussieht. Zum Wohl!

Nitro-Biere: lecker Stöffsche, aber nur frisch gemacht

Das Atelier der Braukünste begeistert regelmäßig mit seiner Nitro Foam Festival Edition des Macadamia Stouts. Foto: Kerstin Fritzsche

Und dann gibt es noch eine Variante, die sieht aus wie gestacheltes Bier, ist aber keins, sondern mit Nitro-Effekt. Ja, Moment, werden viele von Euch jetzt sagen, logo ist Bier karbonisiert und hat eine perlende Schaumkrone. Vor allem in Deutschland wünscht mensch sich das ja so, viele Briten streifen nach dem Zapfen das bisschen Schaumkrone ja sogar noch ab.

Auch wer wie ich in Physik eher nicht so aufgepasst hat, weiß: Es geht darum, dass CO2 nicht so schnell aus dem Bier entweichen kann. Und das kriegt mensch hin, indem die Karbonisierung mit Kohlendioxid möglichst von Sauerstoffeinfluss getrennt erzeugt wird. Kommt einer guten Schaumkrone schon recht nahe – es geht aber noch kräftiger als das. Eben, wenn Stickstoff im Spiel ist. Und hier kennt ihr alle das passende Zapf-Verfahren dazu. Es kommt aus Irland und ist mit dem berühmtesten Stout der Welt verbunden: genau, Guinness.

Das geht aber auch noch mal einen Tacken intensiver: mit einem Gasgemisch aus 70% Stickstoff und 30% CO2. Dabei nutzt mensch den Effekt, dass Stickstoff nicht in Flüssigkeit löslich ist, also der Schaum auf dem Bier stehen bleibt. Logischerweise braucht es großen Druck für das Gasgemisch, so dass hier die Siphon-Flasche Eurer Eltern aus den 70ern, besser bekannt als „Sahnefee“, das ideale Werkzeug wäre. Das Atelier der Braukünste bietet so auf Festivals eine sehr, sehr geile aufgemotzte Variante seines Macadamia Stouts an. Aber nur auf Festivals, weil die Kosten dann doch sehr hoch sind. Und der Aufwand sowieso.

Viele Brauereien versuchen sich auch regulär an Nitro-Bieren, etwa bei Milk Stouts oder auch Portern als Grundlage. Aber natürlich ist die Schaum-Höhe und -Konsistenz aus der Flasche ins Glas geschüttet nicht vergleichbar mit einem entsprechenden „Zapfverfahren“. Erste Varianten gab es in England und den USA bereits 2012/13. Das mag sich auch weiterentwickelt haben. Aber die Flaschen-Varianten hierzulande haben mich bisher noch nicht überzeugt.

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