Rheinhessen ist normalerweise Wein-Gebiet. Dutzende Winzer gibt es hier, und in der Landeshauptstadt Mainz macht gefühlt jede Woche eine neue Weinbar auf. Aber Craftbier spielt auch zunehmend eine größere Rolle. Bereits zum 4. Mal fand Ende November die Craft Beer Messe Mainz statt. Und da Rheinhessen meine Heimat ist, war ich auch endlich mal da.

Die vierte Ausgabe zog am 23. und 24. November mehr als 5.000 Besucher an. 54 Austeller, mehrheitlich Brauereien, aber auch Gasthäuser wie das Brauwerk Bad Kreuznach, Versandhandel für Hobbybrauer und Hersteller aus der Getränketechnik präsentierten sich in der Halle 45.
„Es ist hier viel entspannter als zum Beispiel in Frankfurt“,sagte einer. „Es ist ein toller Mix“, so Felix vom Endt, der mit seiner Orca Brau zum zweiten Mal aus Nürnberg kam. „Man hat hier quasi die ganze Vielfältigkeit aus dem Rhein-Main-Gebiet, es kommen nicht nur die typischen Bier-Nerds, sondern auch ältere Leute und etliche Amerikaner.“


Die lieben Bier wie Wein gleichermaßen. Und indirekt geht es auf der Craft Beer Messe Mainz auch viel um Wein. Denn in Mainz ist es völlig normal, dass Winzer auch brauen, und unter den Brauern, egal ob Hobby oder ausgebildet hauptberuflich finden sich etliche Winzer oder Winzerfamilien-Sprößlinge. Aber Wein-Bier-Hybride, die findet man immer noch verhältnismäßig selten. Also so richtige. Meistens bleibt es auch bei Experimenten mit Champagner- oder Rieslinghefe, zum Beispiel das in der Region vielbeachtete „MonkeyX“ von den Winzern von werk2weine aus Geisenheim. Der Mainzer Platzhirsch KUEHN KUNZ ROSEN hat in diesem Jahr aber mit dem „Brau.Nett“ ein Bier gemacht, das die Bezeichnung „Wein-Bier-Hybrid“ wirklich ausfüllt. Kooperiert wurde mit dem Weingut Schätzel in Nierstein. Das Besondere: „Brau.Nett“ ist aus einem Mix von 60% Bier- und 40% Wein-Maische gebraut. Das Ergebnis ist ein spritziges, sehr helles Bier mit hoher Rezenz, das den Gaumen mit einem Spiel aus weiniger Säure und bitterem Malzkörper überrascht. Experiment gelungen! Vielleicht auch eine Alternative bei der nächsten Meenzer Fassenacht. Allerdings gibt’s von KUEHN KUNZ ROSEN freilich auch noch jede Menge andere Mainz-Biere.

Eine heimelige Atmosphäre herrscht in Mainz aber vielleicht auch deshalb, weil dem Thema Hobbybrauen so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Hobbybrauer der Region dürfen sich gleich mit mehreren Ständen präsentieren und auch Bier ausschenken. So findet man hier traditionelle neuinterpretierte britische Bierstile, etwa ein hopfengestopftes Brown Ale oder ziemlich abgefahrene Stöffsche wie das „Skandale“,das Paul Schüßler aus Wiesbaden mit einer besonderen norwegischen Hefe sowie Erdnussbutterpulver und gecrashten Bananenchips eingebraut hat. Außerdem hat Paul zehn Prozent von den Haferflocken eingespart und mit Toast ersetzt. Das Ergebnis überrascht und würde bei einem Blind Tasting sicherlich neben einem Whisky-Bock bestehen, übrigens auch vom Alkoholgehalt her. Bis zu 30 Hobbybrauer aus der Region, also nicht nur aus Mainz und Wiesbaden, sondern auch aus Darmstadt und von der Bergstraße, hat die Gruppe inzwischen – und wächs timmer noch. Daher will man im kommenden Jahr einen Verein gründen. Nur ein guter Name fehlt noch. Man darf gespannt sein.
Die „Schrille Nacht“ begeistert

Auch mit dem offiziellen Messe-Bier wird den Hobbybrauern Respekt gezollt. Es ist das Ergebnis eines Wettbewerbs im Vorfeld; als Gewinn wird der Gewinner-Hopfensaft bei KUEHN KUNZ ROSEN gebraut – und nicht nur auf der Messe ausgeschenkt, sondern auch in den Vertrieb genommen. Das diesjährige Sieger-Bier „Schrille Nacht“ ist in der Tat das perfekte Festbier: ein ausgewogenes, fruchtig-bitteres IPA mit erdigen Noten, nicht zu schwer und nicht zu würzig, obwohl es mit Kardamom, Piment und Piniennadeln gebraut wurde.
Die glücklichen Männer dahinter sind Simon Rose und Simon Rausch, sie haben das Rezept entwickelt. „Ehrlich gesagt war ich total überrascht, dass unser Bier überhaupt Chancen hatte, denn der letztjährige Gewinner war ja auch ein IPA mit Piniennadeln“, sagt Simon Rose lachend. Zusammen mit Simon Huber sind die drei Mainzer Simons seit circa zwei Jahren das Hobby-Braukollektiv „Schwarze Rose“ und haben aufgrund perfekten Designs (ja, gibt viele Kommunikationsdesigner studienbedingt in Mainz) schon in sozialen Netzwerken von sich reden gemacht.

Ideal für Newcomer

Die Mainzer Messe ist aber auch für Newcomer, die schon gegründet haben, eine gute Chance, sich zu präsentieren. So ist zum Beispiel Christina Triefenbach aus dem Sauerland angereist und stellt ihre bisherigen drei Stammbiere, ein Brown Ale, ein Hefeweizen mitChampagnerhefe und ein Roggen Ale, vor. Unter dem Namen „Clucking Hen“ übrigens angelehnt an die eigene gluckende Henne im Garten, ist sie erst Anfang des Jahres gestartet. Den Schritt vom Hobbybrauen zum Start-up wagte sie, weil sie von Beruf Ökotrophologin ist und auch noch als Produktentwicklerin in der Lebensmittelindustrie arbeitet. Deswegen bietet „Clucking Hen“auch Custom Brewing an. Die Inspiration nahmen Christina und ihre drei Mitstreiter aus Belgien, wo sie einige Jahre gelebt hat und völlig fasziniert von den vielfältigen Bier-Karten in der Gastronomie war.

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