Just feierten wir am Sonntag den Tag des deutschen Bieres. Und dieses Datum fiel fast zusammen mit dem Frankfurter Bierkrawall am 21. April vor 150 Jahren. Am Montag demonstrierten Wirte auf dem Stuttgarter Frühlingsfest. Was all das miteinander zu tun hat.
Am 21. April 1873 wurde in Frankfurt gegen die Erhöhung der Bierpreise gekämpft. Der Bierpreis stieg damals von 4 Kreuzern (= ein Batzen) auf viereinhalb Kreuzer. Das stellte einen Affront dar, weil erstens Bier damals wie fast überall in Europa ein Grundnahrungsmittel war und zweitens für die Arbeiter einen Preisanstieg um 12,5 Prozent bedeutete. „Wir wollen Batze-Bier!“ war der Schlachtruf, der durch Frankfurt hallte. Am Ende kostete diese Revolution 20 Menschen das Leben.
Heute: Preissteigerungen in der Produktion ab 30 Prozent
So weit würde es bei uns in der jetzigen Zeit wohl nicht gehen, zumal Bier nicht mehr so ein Alltagsgetränk ist, schließlich haben wir ja eine gute Trinkwasserversorgung. Und es wird seit Jahren ohnehin weniger Bier getrunken. Aber Corona hat vielen Brauereien zugesetzt, einige haben nicht überlebt – und jetzt machen Ukraine-Krieg und Energiekrise die Bier-Produktion teurer. Letztes Jahr wurde es bei vielen Brauereien schon kritisch, weil es zu wenig Flaschen im System gab und keine Kohlensäure zum Abfüllen. Die Folge: Preissteigerung um 90 Prozent. Neben der Kohlensäure sind aber auch praktisch alle anderen Preise für die Bestandteile in der Produktion gestiegen: für Hopfen um 35 Prozent, für Malz um 90 Prozent, für Etiketten um 30 Prozent, für Neuglas etwa 70 Prozent, Bierfässer etwa 55 Prozent und für Kronkorken sogar um 120 Prozent. Und der größte Posten: Strom und Gas, hier haben Brauereien teilweise eine Kostensteigerung von bis zu 750 Prozent in den letzten Monaten erfahren.
Auch Mikrobrauereien, die in Dosen Abfüllen, haben gestiegene Kosten, und auch Verpackungsmaterial wie Kartonage, zudem Fracht-Gebühren, Kraftstoff etc. sind teurer geworden. Und es hat nicht jeder eine eigene Abfüllanlage sowie Lagerplatz ohne Ende, heißt: Kosten für Logistik kommen oftmals noch oben drauf.
Kostensteigerungen beim Brauen werden bisher nicht voll weitergegeben
Bislang geben die Brauer die volle Preissteigerung nicht ungebremst an die Kund:innen weiter. Weil sie sie nicht vergraulen wollen. Und weil es wieder große Veranstaltungen gibt, bei denen die Hoffnung besteht, über den Ausschank so zu verdienen wie vor der Pandemie. Aber wie lange ist das haltbar? Und was machen die kleineren und Gypsy-Brauereien?
Statistisches Bundesamt sieht kein „Brauereisterben“
Pünktlich vor dem Tag des deutschen Bieres gab das Statistische Bundesamt zwar eine Meldung raus, die sicherlich wie eine kleine Entwarnung klingen sollte: Deutsche Brauereien sterben nicht, denn der Absatz von deutschem Bier im europäischen Ausland hat sich post-Corona erhöht.
In der Tat eine gute Meldung, aber das zahlt vor allem bei den großen Brauereien ein. Schauen wir auf Oberfranken, die Gegend mit der höchsten Brauereidichte in Europa, dann muss konstatiert werden, dass hier dieser Effekt nichts nützt. Weil lokal getrunken wird. Und da mussten im letzten Jahr eben doch ein paar Brauereien aufgeben. Dasselbe Bild in der Region Stuttgart, wo die Doppel-Krise mindestens vier Mikrobrauern das Genick brach. Ihnen hätten Veranstaltungen und Feste vielleicht noch helfen können, aber es war zu spät.
Wann gehen wir als Konsument:innen auf die Straße?
Es gäbe also genügend Gründe, als Konsument:in auch jetzt auf die Straße zu gehen. Nur: Anders als beim Frankfurter Bierkrawall 1873 haben wir eine allgemeine Krise, vor der auch die Politik hilflos dasteht. Was sollte mensch also erreichen? Vermutlich könnte eine vorübergehende Mehrwertsteuer-Senkung, wie wir sie ja auch zeitweise während Corona hatten, lindern. Aber nichts ändern.
Der Bierpreis wurde in der Vergangenheit immer politisch bestimmt
Ein ganz anderes Szenario in den vergangenen Jahrhunderten: Da wurde der Bierpreis schon immer politisch, meistens durch Individualinteressen, geregelt – sei es durch die Vergabe von Brau- und Ausschankrechten, durch regionale Biergesetze und Besteuerung, durch Reglementierung von Weizen oder der Entnahme von Wasser oder durch lokale Lohnbrauregelungen. Meistens hatten in Deutschland dabei die regionalen Machthaber (Fürsten, Herzoge) ihre Finger mit im Spiel, vor allem unter Maximilian IV. in Bayern, Stichwort „Weizenbiermonopol“ im 17. Jahrhundert. Gott sei Dank sind Brauer da jetzt nicht mehr solcher Willkür ausgesetzt.
Bierstreit gab es auch schon immer
Bierstreit gab es aber auch schon immer, nicht nur in Frankfurt. Dabei handelte es sich meistens um Arbeitsauseinandersetzungen oder Städte-Streit, also Streit zweier konkurrierender Brauereien in benachbarten Städten. Eine frühe Form ist sicherlich der Wettstreit zwischen Nürnberg und München, bei dem München sich schließlich gegen die führende Bier-Stadt Nürnberg durchsetzte, weil in dessen Katakomben schlicht die Bierkühl-Maschine nicht reinpasste und dafür in München in der Spaten-Brauerei installiert wurde. Auch das gleichzeitig ein Kampf um Arbeitsplätze, Fachwissen und letztlich auch den Bierpreis.
Ein Blick ins Internet und in Bier-Bücher offenbart aber auch noch, in chronologischer Reihenfolge:
Es gab von Weihnachten 1380 bis Frühjahr 1382 zwischen der Stadt Breslau, dem böhmischen Landesherrn Wenzel IV. sowie den Herzögen von Liegnitz einen Bierkrieg.
Meine Studienstadt Hildesheim ging auch wegen einer Biersteuer auf jedes Fass in die Geschichtsbücher ein; die „Hildesheimer Bierfehde“ bestand zwischen 1481 und 1486. Und klar hatte das Bistum Hildesheim da seine Finger mit drin, genauer Bischof Berthold II. von Landsberg, der seine finanziellen Probleme auf Kosten der Wirtsleute ausgleichen wollte. Es kam sogar zum bewaffneten Kampf.
In den Jahren 1490 bis 1491 kam es zum „Bierkrieg“ zwischen den benachbarten Städten Görlitz und Zittau. Hier ging es um Zoll.
In Oberfranken gab’s gleich mehrfach Streit. 1510 ging es um Brauereirechte zwischen Ebermannstadt und Pretzfeld. 1778 verzeichnen die Geschichtsbücher dann einen Bierkrieg zwischen Selbitz und Naila. Hier wehrten sich Einwohner:innen von Selbitz gegen Bier-Lieferungen aus Naila. Denn die ehemals reußische Selbitzer Brauerei wurde an die Nailaer bürgerliche Braugenossenschaft verkauft, ohne vorher die Bevölkerung davon in Kenntnis zu setzen. Deswegen sollte Bier aus Naila nach Selbitz geliefert werden – was nicht gut kam.
In Radebeul gab’s Anfang des 16. Jahrhunderts auch einen Bierstreit unter Beteiligung der katholischen Kirche, bekannt als „Zitschewiger Bierstreit“. Hier ging es darum, inwiefern die Gasthäuser dazu verpflichtet werden können, neben dem eigenen Bier auch noch anderes aus den umliegenden Orten auszuschenken – wofür das Bistum eine Abgabe verlangte.
1524 folgte der Chemnitzer Bierkrawall. Hier ging es darum, dass das Gewohnheitsrecht, nach dem nur Chemnitzer Bürgern das Brauen und der Ausschank von Bier erlaubt ist, fortbesteht oder nicht.
Recht herb ging es zwischen Budweis und Rudolfstadt gleich drei Mal 1464, 1525 und vor allem 1588 her, als die Budweiser Brauberechtigten ihr Recht gegen die Nachbarstadt (und andere) mit Waffen verteidigten. Der letzte Streit endete erst 1619 mit einer Plünderung Rudolfstadts.
Richtig große Bierkrawalle oder auch „Bierrevolutionen“ gab es in München 1844, Bochum 1866, Würzburg 1866, Göttingen 1881, Berlin 1894, Münster 1895, Bamberg 1907 und in Donaueschingen 1910. Hier ging es teils auch um die Einführung oder Erweiterung einer Sperrstunde, gegen die sich Bürger:innen wehrten.
Der letzte Kampf ums Bier fand im Februar 1932 in Hamburg statt. Die meisten Gastwirte traten in einen Streik, um gegen die staatlich verordnete Senkung der Bierpreise zu protestieren. Der Streik dauerte drei Wochen.
Aktuell droht übrigens wieder ein Bierstreik bei Holsten. Und auch in Bayern wird seit heute in Brauereien gestreikt.
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