Im eher arabisch-türkisch geprägten Münchener Bahnhofsviertel betreiben Ninja und Kristina Höfler seit dem Sommer eine Hausbrauerei mit angeschlossenem Hotel. Das „Schiller Bräu“ ist neuer Treffpunkt für Ur-Bayern, Queers und neugierige Anwohner.
In der Münchener Schillerstraße hinter dem Bahnhof wechseln sich die Shisha-Bars mit Billig-Klamotten-Läden, Wechselstuben und Sportwetten-Büros ab. Hier ist plötzlich die Kopftuch-Dichte höher, und Deutsch wird zur Minderheiten-Sprache. Mitten in diesem Setting ragen plötzlich zwei Braukessel ins Straßenbild: Das „Schiller Bräu“ lädt zu hauseigenem Bier und deftigen bayerischen Speisen ein. Mehr als das: München-Touristen können in der Etage über dem Gastraum in ein Hotel einchecken.
Eröffnung Ende Juni
Geführt werden Hausbrauerei, Gasthaus und Hotel von Ninja (32) und Kristina (31) Höfler. Ende Juni hat das Paar eröffnet und sich damit einen großen Traum verwirklicht. Beide sind gelernte Hotelfachfrauen und seit 2008 zusammen. Schon früh war für beide klar: Was Eigenes machen, das wär’s. Mit der Unternehmensgruppe Lindner Group als Partner und Geldgeber im Rücken war das schließlich möglich für die Oberfränkin und die Niederbayerin. „Zwei Jahre Planungszeit waren es dann aber trotzdem noch“, erzählt Kristina. „Und kein Tag in den letzten vier Wochen vor der Eröffnung war normal! Wir hatten schon einen Zimmer-Brand und Probleme mit dem Warmwasser – da passieren kurz vor knapp Dinge, die sind einfach nicht einkalkuliert.“
Aber dennoch und ohne große Werbung hat sich herumgesprochen, dass die beiden Frauen mit 51 Zimmern und einer Gaststätte mit 160 Sitzplätzen auf zwei Etagen ein tolles Angebot machen. „Gemütlichkeit soll bei uns im Vordergrund stehen“, sagt Ninja. „Wir wollen der urige Landgasthof mitten in der Stadt sein. Aber man muss dabei auch immer noch Respekt vor der Arbeit haben. Exklusivität ist nicht einfach zu haben“ und übertrage sich schon gar nicht einfach so auf den Kunden.
Kein Tag mit weniger als 16 Stunden
Momentan heißt das für das Ehepaar Höfler, mindestens 16 Stunden am Tag zu schuften. Ninja übernimmt dabei den Service-Part, Kristina macht die Verwaltung. Vier Angestellte helfen im Service, drei in der Küche, seit Anfang September gibt es auch Azubis und Aushilfen. Es gibt eigenes Brot aus Niederbayern, Speisen mit eigenen Rezepten, selbstgemachte Marmelade, selbst die Deko ist handgemacht. Beide kommen aus Gastro-Familien, sie haben lange genug in dem Job gearbeitet. Dennoch sehen Ninja und Kristina es als großes Glück, dass sie das gemeinsam machen können und sich gut ergänzen. „Viele denken, sie machen mal ein Hotel oder Gastro, aber überschätzen sich“, sagt Ninja. „Es funktioniert nur, weil wir das beide wollen und das Gewerbe kennen.“ Der Erfolg scheint ihnen Recht zu geben: Seit der Eröffnung sind die beiden ausgebucht, und auch an einem Wochentag am späten Nachmittag sind im Gastraum fast alle Plätze besetzt. Junge Männer mit Bart sitzen bereits über der zweiten Halben.
Aus der Bierstad Kulmbach in die Landeshauptstadt
Für Ninja, die aus der Bier-Stadt Kulmbach in Oberfranken kommt, gehört Bier auf jeden Fall zum Konzept. Und auch Kristina, die sogar gelernte Wein-Sommelière ist, sagt, Bier ist das I-Tüpfelchen der Gemütlichkeit. Klar sei das ein Risiko gewesen, ausgerechnet in München noch eine Mikro-Brauerei zu eröffnen und mitten im Craftbier-Boom, den andere in der Landeshauptstadt schon beherrschen, eigene Biere zu machen. Aber „zu einer gescheiten Gaststätte gehört auch eigenes Bier!“, sagt sie. Alles können die Höflers nicht selbst machen, daher haben sie einen Braumeister. Aber bei der Auswahl der Biere und den Rezepturen haben sie sich eingebracht. Und so gibt es neben Hellem, Dunklem und Weißbier auch den alten vergessenen Bierstil Scheps im „Schiller Bräu“, ein leichtes, aber sehr würziges Bier mit 2,5% Alkohol. Das bieten die Höflers als Alternative zum Radler an und wollen damit explizit Frauen ansprechen. Außerdem gibt es jeden Monat ein zur Jahreszeit passendes Saisonbier; für dieses Jahr stehen schon alle fest. Mit diesem Braukalender bringt Ninja so ebenfalls eine alte bayerische Tradition wieder in die Gegenwart.
Und der Standort? Vor allem als lesbisches Paar? „Zuerst dachte ich schon: Hoppala!“, sagt Kristina. „Aber wir sind beide nicht auf den Mund gefallen und gehen offen mit unserer Beziehung um.“ „Total viele der Hotel-Gäste checken das auch gar nicht“, ergänzt Ninja. Als die Sudkessel geliefert wurden und auch kurz nach der Eröffnung hätten schon viele türkisch- und arabisch-stämmige Nachbarn mal neugierig geguckt oder nachgefragt, was hier passiert. Aber es sei dann eben bei großen Augen und Schulterzucken geblieben.
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