Als ich Ende letzten Jahres in Südaustralien und Victoria war, habe ich natürlich auch so viel Bier ausprobiert wie möglich. Australien ist wie Amerika ebenfalls im NEIPA-Wahn und Sauerbier-verliebt, ständig gibt es neue Bier-Bars und Craft Beer Shops. Wenn man genauer guckt, sieht man aber auch, dass gängige Bierstile neu interpretiert werden. Eine der Brauereien, die „bodenständiges“ Bier modernisiert hat, ist „Two Birds Brewing“ in Melbourne. Und ihr „Passion Victim“, gebraut mit Passionsfrucht, ist eines der besten Biere, die ich in meinem Leben getrunken habe. Nicht nur, dass „Two Birds“ also tolles Bier macht, die Brauerei hat einen absolut traumhaften Standort, engagiert sich im sozialen Leben der Stadt – und ist die erste Brauerei Australiens, die von Frauen gegründet wurde. Als ich da war, habe ich die Inhaberinnen Jayne Lewis und Danielle Allen nicht getroffen. Aber weil mich „Two Birds“ nachhaltig so beeindruckt hat, habe ich um ein Interview per Mail gebeten, und Jayne war sofort bereit, mir Rede und Antwort zu stehen.
Noch ein paar Infos vorab: Regulär gibt es bei „Two Birds“ sieben Biere: ein Golden Ale, ein Amber Ale, ein mit Mais, Koriander und Limette gebrautes Mexican Ale, ein Pale Ale, ein Lager, ein Winter-Stout und eben das besagte Bier mit Passionsfrucht und fruchtigem Hopfen-Trio aus Amarillo, Galaxy und Mosaic. Die Brauerei, liebevoll „The Nest“ genannt, hat keine klassische Aufteilung, es gibt nicht den einen Tasting Room. Sondern man kann auch sozusagen mitten in der Produktion sitzen. Sein Bier trinken, während nebenan Malzsäcke geschleppt werden, der Whirlpool wirbelt und die Fässer lagern, die am nächsten Tag rausgehen an Bars und Restaurants. Als wir da waren, an einem Sonntag, gab es einen Indoor Crafts Market in der Brauerei, bei dem lokale Designer, Handwerker und Künstler ihre Sachen anbieten konnten. Es gibt eine Spielecke für Kinder, aber auch den obligatorischen Tresen für Stammgäste und klassische Pub-Gänger. Weil für sie als unabhängige Brauerinnen Gemeinschaft so wichtig ist, wollen sie selbst eine Gemeinschaft schaffen, einen Ort, an dem sich möglich alle wohl fühlen, haben Danielle und Jayne gesagt. Damit hat ihre Brauerei ziemlich viel von der Ursprungsidee des englischen Pubs als einem Ort für alle zum Aufenthalt mit verschiedenen Freizeitangeboten abbekommen. Jayne als Brauerin probiert gerne und viel aus. In Deutschland erlangte ihr „Stardust IPA“ zu Ehren von David Bowie Anfang des Jahres eher negative Berühmtheit, weil es von Medien wie PULS in den belächelten Trend von Glitter-Bieren gesteckt wurde – ohne Angabe von Namen, Quelle und Hintergrund. Einer der letzten Coups der beiden „Birds“ war ein Bier für Melbournes Frauen-Football-Mannschaft. Allerdings soll der „Trail Blazer“ auch als Hommage an all jene empfunden werden, die unbeirrt ihren Weg gegangen sind oder noch gehen, um ihre Träume zu verwirklichen. Natürlich ist auch ein Ziel, dem Sport Frauen-Football mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Jayne und Danielle sind also nicht explizit politisch. Aber das, was sie tun, hat schon oft einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Ich würde sagen, im Melbourner Süden sind die „Two Birds“ nicht mehr wegzudenken.

Wie gelang es euch, die Brauerei auf den Weg zu bringen? Hattet ihr Rücklagen oder bekamt ein Darlehen?
Jayne: Danielle und ich haben unsere Ersparnisse geplündert, um erst einmal klein zu starten. Dazu waren wir Vertragsbrauer in einer Brauerei, mit kleinen Batches im Auftrag. Wir haben denen quasi die Lizenz zum Brauen erteilt, mit unserem Namen. So konnten wir mit der Zeit die Brauerei aufbauen, ohne selbst von Anfang an voll investieren zu müssen.
Ihr seid jetzt mit eurer Brauerei an einem unglaublich tollen Ort. War der schwer zu finden? Und wie schwer war es, einen Namen zu finden?
Jayne: Dani und ich, wir waren mit unseren Männern in den Staaten, um uns inspirieren zu lassen. Es war irgendwann Zeit, die eigene Brauerei auf den Weg zu bringen. Mein Mann war vor dem Rückflug nach Australien auf dem Flughafen in der Lounge und fand online das alte Großmarkt-Gelände. Gleich am nächsten Tag nach der Landung haben wir es uns angesehen und waren sofort verliebt. Es bot den richtigen Mix für all das, was wir vorhatten: genug Platz zum Brauen, aber auch für einen Tasting Room. Und außerdem noch genug Platz zum Wachsen. Es war einfach perfekt!

Was den Namen unserer Brauerei anbelangt – da hatten wir tatsächlich eine lange Liste. Aber nichts hat uns angesprungen. Wir haben dann mit einer Kreativagentur zusammengearbeitet, die die Idee mit den „Two Birds“ hatte. Wir lieben daran, dass die Vögel irgendwie Aufbruch symbolisieren – und während du bei uns dein Bier trinkst und den Namen magst, entdeckst du noch mehr Verbindungen. Weil „bird“ ein australisches Slang-Wort für eine Frau ist, fanden wir das sofort passend, weil wir ja die erste rein von Frauen gegründete und geführte Brauerei in Oz sind. Das ist schon auch ein bisschen cheeky, aber uns gefällt’s. Passt auch einfach.
Warum denn eigentlich Melbourne und nicht irgendwo in West-Australien?
Jayne: Stimmt, wir sind beide von West-Australien. Aber Dani lebt in Sydney und ich in Melbourne. Und da ich diejenige bin, die braut, war es für uns sinniger, die Brauerei in meiner Stadt zu gründen. Außerdem sahen wir da generell einen großen Bedarf für Brauereien und Bier in Victoria. Ich glaube, es ist einfacher, hier zu wachsen. Den Bedarf gibt es immer noch.
Und wo habt ihr vor Juni 2014 gebraut?
Jayne: Zwischen 2011 und 2014 haben wir mit Vertrag bei drei verschiedenen Brauereien von West-Australien bis Victoria gebraut. Die Brauereien nutzten unsere Rezepte und machten das Bier für uns.
Wie groß ist eurer Ausstoß jetzt, und mit wie viel habt ihr angefangen?
Jayne: Wir haben ja wirklich nur mit der Idee und der Marke 2011 angefangen. Jetzt, mit eigener Brauerei, produzieren wir etwa eine Million Liter Bier pro Jahr.
Verkauft ihr euer Bier nur in Australien?
Jayne: Ja, das meiste Bier verkaufen wir hier. Wir haben aber just unsere Fühler auf den asiatischen Markt ausgestreckt. So haben wir bereits etwas in Hongkong, in Teilen von China und in Malaysia verkauft. Und weitere Orte werden folgen!
Woher bekommt ihr euren Hopfen?
Jayne: Wir präferieren schon „Neue Welt Hopfen“, also kommt der Großteil unseres Hopfens aus Australien, Neuseeland und den Vereinigten Staaten. Weil wir aber auch gerne die regionalen Hopfenbauern unterstützen möchten, haben wir uns verpflichtet, in all unseren Bieren auf jeden Fall einen australischen Hopfen zu nutzen.
Was motiviert euch?
Jayne: Einfach großartiges Bier zu machen und es mit Menschen teilen zu können!
Und welches ist ganz persönlich euer Lieblingsbier (muss nicht eins der eigenen sein)? Oder welchem Bierstil gehört Deiner Meinung nach die Zukunft?
Jayne: Mein Lieblingsbier ist immer das, welches am besten zur jeweiligen Situation passt. Zum Beispiel mag ich ein gut gehopftes Pilsner, wenn es sehr heiß ist. Ich liebe ein „Trail Blazer“ (unser Aussie Lager in der Dose), wenn ich im Stadion bei einem Spiel der AFLW (Australian Women’s Football League) bin. Und ich liebe ein Red Ale wie unser „Sunset“, wenn es abends oder nachts langsam kalt wird.
Dann kommt es noch darauf an, was ich esse. Ich glaube, man kann zu jedem Mahl ein passendes Bier finden. Und ich liebe es, mit den verschiedenen Aromen zu experimentieren und zu sehen, was das nächste perfekte Food Pairing sein könnte.
Der Biermarkt in Australien ist immer noch am Wachsen. Ich denke, das ist erst der Anfang, dass die Leute hier andere Biere entdecken, weg von den massiv überhopften, ungleichgewichtigen Bieren hin zu Bieren, die mit ein bisschen mehr Finesse und Balance gebraut sind.
Denkst Du, dass ihr als Frauen in dem Business schon mal diskriminiert wurdet? Oder würdest Du sagen, ihr hattet es vor allem zum Start schwerer, weil ihr Frauen in einer Männer-Domäne seid?
Jayne: Nein, das denke ich ganz und gar nicht. Ehrlich gesagt, ganz persönlich glaube ich, dass ich als Frau in diesem Business eine Menge Möglichkeiten bekommen habe, weil der Bierindustrie hier sehr daran gelegen ist, Schritt für Schritt mehr Geschlechtergerechtigkeit zu ermöglichen.
Warum Bier, und nicht Wein? Was gefällt Dir am meisten an Bier?
Jayne: Ich mag beides. Aber momentan gibt’s nichts anderes als Bier für mich. Ich liebe es, Bier zu machen, weil es die perfekte Mischung von Handwerk und Wissenschaft ist. Du kannst so viel mehr Einfluss auf das finale Produkt haben als das ein Winzer haben kann. Und ich finde es einfach toll, dass du ein Bier braust und es dann nur zwei Wochen später an der Bar trinken kannst!
Du hast ja schon ein paar Dinge zum Markt gesagt, aber noch mal genauer: Wie siehst Du die Craftbier-Szene in Melbourne und Australien? Ist da noch genug Platz für Newcomer?
Jayne: Es ist schon ziemlich voll auf dem Markt. Es scheint mir, die Zahl der Newcomer überholt die Anzahl der Biertrinker, die neu auf Craftbier aufmerksam werden, so dass der Wettbewerb schon jeden Tag härter wird.
In Deutschland geht es derzeit viel um Collaboration Brews, das ist hier auch neu, nicht alle gleich als Konkurrenz zu sehen. Habt ihr auch schon mit anderen Brauereien zusammen ein Bier gemacht oder habt das vor? Mit wem würdet ihr gern?
Jayne: Wir haben tatsächlich schon einige collaboration brews gemacht, mit Brauereien hier und Übersee, zum Beispiel mit Goose Island (US) and ParrotDog (NZ) und auch schon Craftbier-Bars, die wir mögen, zusammen „bespielt“. Im Mai hatten wir während der „Good Beer Week“ einige collabs mit Brauereien aus London. Ich finde das immer toll, nicht nur, weil es irre viel Spaß macht, sondern weil man auch immer etwas lernt und seine Ideen teilen kann.
Habt ihr das Ziel, mehr Frauen zu gutem Bier zu führen? Ist das in Australien überhaupt nötig? Denkst Du, Frauen trinken anders? Und welche Rolle spielt das Essen dabei?
Jayne: Logo, ich will immer, dass mehr Frauen Bier trinken! Es trinken immer noch mehr Frauen Wein, und viele haben eine eher negative Einstellung gegenüber Bier. Etwa, dass es zu männlich ist und so. Aber so langsam ändert sich die Konsumkultur auch Gott sei Dank hier.

Ich denke, wenn Leute realisieren, dass Bier nicht nur Lager ist und es diese wahnsinnige Vielfältigkeit an Aromen gibt, dann fangen sie an, Bier in einem anderen Licht zu sehen. Und wenn dann noch klar wird, wie toll man Bier mit Essen kombinieren kann, dann liegt uns die Welt zu Füßen!
Beim Reisen mag ich es besonders, zu schauen, wie andere Länder Bier sehen. Ich habe mich zum Beispiel in Belgien einfach mal in einem Viertel hingesetzt und dann festgestellt, dass ganz viele Frauen in ihren 50ern und älter Bier bei ihrem Frühstück getrunken haben. Das sensibilisiert mich dann auch wieder dafür, wie wir Bier hier in Australien sehen, was gesellschaftlich geht, wie anerkannt oder eben nicht bestimmte Trinkkulturen sind. Und das gibt mir Hoffnung, dass eines Tages Bier von allen möglichen Leuten zu jeder Tageszeit genossen werden kann. Natürlich in Maßen!
„Two Birds Brewing“ ist auch auf Instagram: die Brauerei – und Jayne solo
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