Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass britisches Bier wässrig und geschmacklos ist. Und das kommt nicht von ungefähr, denn zwei Mal in der Geschichtes des britischen Ales war das Bier wirklich „crap“, wie selbst Bier-Blogger heute sagen. Aus der letzten Welle der Verflachung des Ales gibt es eine Bier-Kampagne, die bis heute prägend und führend in Großbritannien ist (über 180.000 Mitglieder, auch aus dem Ausland): CAMRA. Seit 1971 gibt es CAMRA, die „Campaign for Real Ale“. Und seit 1975 veranstaltet CAMRA das „Great British Beer Festival“. Inzwischen werden viereinhalb Tage lang über 900 Ales, Ciders, Perries und internationale Biere präsentiert, jeweils Mitte August in London. Es gibt einen renommierten Wettbewerb (Champion Beer of Britain Award), kulinarische Köstlichkeiten und natürlich jede Menge Tastings drum herum. Außerdem schließt sich am letzten Tag jeweils seit ein paar Jahren das Londoner Craftbier-Festival an. Das Ganze funktioniert nur so gut, weil es jedes Jahr mehrere Hundert Freiwillige gibt, die beim Festival mithelfen, vor allem im Ausschank. Mein Freund Christian Herzig, Hobby-Brauer aus Berlin, war dieses Jahr dort und berichtet von seinen Erlebnissen.
Christian: „Das Great Britsh Beer Festival“ findet im Olympia in zwei Messehallen statt. Im Gegensatz zu unseren Brauer-Festivals sind nicht die einzelnen Brauereien anwesend und präsentieren sich da mit ihren Buden, sondern die Stände sind vom Festival, regional sortiert und haben jeweils bis zu 25 Zapfhähne. Gut, 2, 3 Brauereien gibt es schon, dieses Jahr zum Beispiel Tiny Rebel, aber die sind auch als Sponsor aufgetreten. An meiner Bar gab’s Biere aus North Yorkshire, North Wales und noch zwei Regionen.
Wie bist Du dazu gekommen? War das schwer, sich da anzumelden?
Christian: Nee, gar nicht. Ich bin seit vielen Jahren schon Mitglied bei CAMRA, weil ich das englische Bier schätze. Dafür gibt’s immer eine Zeitung und vierteljährlich eine Zeitschrift, beides sehr schön zu lesen. Natürlich habe ich sonst nicht viel davon, weil ich weit ab vom Schuss bin. Aber ich wollte immer mal das Festival besuchen. Aber statt nur hinzugehen und zu saufen, jetzt mal salopp gesagt, dachte ich mir, da auch mitzuarbeiten wäre schöner, vor allem wenn man alleine da ist. Außerdem kriege ich vielleicht als Freiwilliger mehr mit. Es hat sich herausgestellt, dass man ganz schön viel mitkriegt – und auch ganz schön viel zu trinken kriegt. Ich finde, es ist viel schöner, das Festival so zu erleben. Außer, man möchte vielleicht ganz hardcore Liste abstreichen und möglichst viel Unterschiedliches trinken.
Ich habe mich auf der Website angemeldet, da gibt’s bei CAMRA einen Bereich, da klickt man drauf und wird auch gefragt, ob man eine Unterkunft gestellt oder sonst irgendwelche Spezial-Sachen haben möchte – und dann passiert erst einmal nichts mehr. Man soll davon ausgehen, dass man auch genommen wird, weil das einfach so ist. Letztendlich habe ich dann auch keine Bestätigung bekommen, sondern irgendwann kamen dann die Informationen für die Volunteers. Also war ich wohl dabei.
Ich wusste aber, bis ich in London vor Ort war, nicht, was genau passiert, was für Jobs es überhaupt gibt, wofür die mich einsetzen, ob ich da Klos putzen muss oder was, Gläser-Ausgabe machen… Vor Ort hat sich dann aber herausgestellt, dass von den über 1000 Volunteers tatsächlich, schätze ich, 85 % an den Bars arbeiten.
Hast Du interessante Kontakte geschlossen oder war da keine Zeit zu, weil von 10 bis 20 Uhr Bar-Betrieb war?
Christian: Ich habe ein paar nette Leute kennen gelernt, ja, aber ich war auch am allerersten Tag da, wo erst einmal nur Betrieb für Leute aus dem Gewerbe selbst ist, also immer Dienstag von 12 bis etwa 17 Uhr, und danach ist erst offen für die Öffentlichkeit. Ich dachte auch, da sieht oder trifft man dann irgendwelche Brauer und es gibt vielleicht extra Events, aber das war nicht der Fall. Einen Bekannten aus Berlin habe ich getroffen. Aber letztendlich habe ich „nur“ ausgeschenkt und kaum mit anderen gesprochen.
Okay, ich hätte vielleicht nach der Arbeit Kontakte knüpfen können, wenn dann alle Kunden und Besucher weg sind und dann quasi intern Party ist. Aber das war alles so anstrengend, das hab ich ehrlich gesagt bis abends nicht durchgehalten.
Klar treffen sich Brauer und es ist ein Branchen-Get-together, aber sind da auch Veranstaltungen drum herum? Und wie läuft das mit dem Wettbewerb?
Christian: Es gibt jeden Tag tutored tastings. Das waren an den ersten beiden Tagen Koryphäen von CAMRA, also Des de Moor und so. Am dritten Tag, aber da war ich dann schon wieder weg, war tatsächlich Sylvia Kopp aus Berlin da und hat da die Tastings geführt. Dann gibt es noch Buch-Signaturen und -Vorstellungen, dieses Jahr im speziellen Fokus „theme pubs“, da gibt es also ein neues Buch (Anmerkung: Es gibt sogar eine „British Beer and Pub Association“). Und dann gibt’s noch ein Bühnen-Programm, das war auch gar nicht so doof. Da waren zB Ezio und die „Oysterband“.
Es gab dann noch ein ahmenprogramm, hat man irgendwann am Rande mitbekommen, mit Pub Walks/Crawls, aber da weiß ich nicht, ob das offiziell war, denn die einzelnen Stadtteile machen natürlich auch immer was.
Wie das zum Wettbewerb läuft, weiß ich nicht. Aber das ist ein Verkaufsargument, wir hatten nach der Bekanntgabe so Aufkleber, die an die Zapfhähne dran gemacht wurden, dass das Bier ein Finalist ist. Das erzeugt Zulauf ohne Ende. Das eine Bier, Mosaic City, das war vorher schon beliebt, aber da gab es dann einen regelrechten Run drauf, das war ständig alle. Nach Bekanntgabe abends der Gewinner sowieso.
Was ich noch sehr spannend fand: Für die Volunteers gibt es das Volunteer Village auf der Empore, wo auch die ganzen Büros sind von den Organisatoren und so. Da gibt es einen Bereich mit Sitzgelegenheiten, Essen, Tee, Soft Drinks und so. Und es gibt dort 20 Zapfhähne mit allerschönsten Bieren. Teilweise auch welche, die es nicht auf dem Festival gibt. Es kommen Brauereien vorbei, die dann sagen, hier ist noch ein Fass für die Mitarbeiter. All das Bier ist jederzeit kostenlos verfügbar. Also allein da konnte man sich schon laben und Köstlichkeiten ausprobieren, Zu zwei Gelegenheiten war dann außerdem die Zapfstelle verwaist und nur ein Zettel da, man solle sich doch bitte an dem Kühlschrank sowieso bedienen. Das war dann der „Champion Beer of Britain“-Kühlschrank. Der Wettbewerb war durch, die Jury Tastings waren abgehalten, und so war da ne Menge Bier übrig, und wir konnten uns außerdem noch was Schönes von den Wettbewerbsbieren aussuchen und nach Lust und Laune verkosten. Das war natürlich super!
Und an der eigenen Bar konnte man auch was trinken, so fern das „reasonable“ ablief. Ich habe aber auch keine Ausfälle gesehen, ich denke, jeder weiß da selbst, dass er drauf achten muss, wenn er da mitarbeitet und wiederkommen will. Und der gemeine Engländer, der trinkt ja auch zum Mittagessen mal ein Pint Bier, sozusagen ist man das gewohnt.
Würdest Du es wieder machen?
Christian: Absolut! Obwohl es auch anstrengend ist, man darf das nicht unterschätzen. Aber man kann ja einen Tag zur Regeneration hinten dran hängen.